Holunderliebe
sitzen an unseren neuen wissenschaftlichen Arbeiten … Findest Du, dass ich das zu blauäugig sehe? Blödsinn, wir schaffen das, ganz bestimmt! Am Wochenende bin ich bei Dir. Dann kannst Du mir auch Deine neuen Bekannten Peter und Hanna vorstellen. Hast Du nicht erzählt, dass sie auch einen Sohn haben? Sie können uns bestimmt Ratschläge und Tipps geben. Ich kann es kaum erwarten, Dich in meine Arme zu nehmen. Ich liebe Dich – und das kleine Wesen, das in Dir wächst.
Dein Christian
Zwischen den Briefen lagen einige Fotos. Wieder der Platz, an dem heute der Hortulus lag. Merkwürdig, dass ich in den letzten Tagen ständig dort gewesen war, aber nicht geahnt hatte, dass meine Mutter und mein Vater für diese Rekonstruktion zuständig gewesen waren. Dann wieder ein Bild von den beiden Freunden, diesmal mit ihrem Sohn, der sich breit grinsend vor ihnen aufgebaut hatte. Simons Lächeln war unverkennbar, obwohl er damals nur sechs oder sieben gewesen war. Ich schloss die Augen und versuchte mir vorzustellen, wie es zu dem furchtbaren Unfall kommen konnte, bei dem die vier Freunde ihr Leben verloren hatten.
23.
B ist du dir sicher, dass Walahfrid das so beschrieben hat?« Christian sah den Plan mit kritisch zusammengezogenen Augenbrauen an. »Dass der Salbei mehr Platz als die Lilie benötigt, leuchtet mir ja ein, aber warum braucht die Schwertlilie so viel mehr Raum als Odermennig oder Eberraute?«
Er wandte sich an Hanna und Peter, die neben ihm und Irmela standen und ebenfalls den Plan musterten. Die dunkel gelockte Frau zuckte mit den Achseln. »Schwer zu sagen. Wir müssen es ja mit den Augen der damaligen Menschen sehen. Walahfrid hielt die Schwertlilie für eine mächtige Pflanze beim Kampf gegen Blasenentzündungen. Wenn ich mir diese alten Gemäuer hier ansehe, kann ich mir schon vorstellen, dass die Mönche da öfter mal ein Problem hatten.«
»Merkwürdig ist das aber schon«, widersprach Irmela. Ihre dunkelblonden Haare hatte sie im Nacken zu einem Knoten zusammengefasst, aus dem sich immer wieder Strähnen lösten, wodurch ihr Gesicht einen weniger strengen Ausdruck bekam. »Blasenentzündungen sind doch eher ein Problem von Frauen. Die Mönche hat das sicher wenig interessiert, die wussten doch gar nicht, was die Frauen quält.«
»Sei’s drum«, meinte Hanna. »Natürlich wissen wir heutzutage einiges mehr über diese Pflanzen als Walahfrid. Ein paar von ihnen dürften nach unserem Ermessen eigentlich gar keinen Platz in einem Heilgarten haben, das ist klar, aber uns ging es ja um die Rekonstruktion.« Sie sah zufrieden über die Beete hinweg. »Und ich finde es schön, dass jetzt endlich die Hochbeete stehen.«
»Hat ja auch lange genug gedauert«, bemerkte Irmela. »Außer uns weiß ja fast niemand, dass wir die Dinger ausschließlich mit mittelalterlichen Werkzeugen hergestellt haben.«
Hanna legte ihren Arm um die Schultern der Freundin. »Ist doch egal. Hauptsache, wir können jetzt die Beete bepflanzen. Ich sorge dafür, dass alles wächst und gedeiht – und du bekommst erst mal dein Kind. Wann ist es denn so weit?«
»Der Arzt meint, es kann jederzeit kommen. Mir ist jeder Tag früher nur recht, mit dieser Kugel bin ich so unbeweglich wie ein Elefant!«
»Das glaube ich dir. Bei Simon konnte ich am Schluss die Geburt gar nicht mehr erwarten. Clever eingerichtet von der Natur: Die Frauen haben am Schluss allesamt ihren Wanst so über, dass sie lieber die Wehen in Kauf nehmen, als weiter wie ein gestrandeter Wal im Bett zu liegen.«
Die beiden Frauen lachten. Irmela sah zu dem kleinen Jungen hinüber, der auf einem der Kieswege hingebungsvoll sein ferngesteuertes Auto kreisen ließ.
»Ich wünschte mir nur, dass mein Baby gleich in Simons Alter auf die Welt kommen würde. Mit ihm kann man wenigstens schon reden. Woher soll ich denn wissen, was so ein Baby will, wenn es rumschreit? Das bringt einem doch keiner bei?« Irmela seufzte.
Hanna lachte. »Das wirst du schneller herauskriegen, als du alle Geheimnisse dieses Gartens hier lösen kannst. Was gibt es denn Neues in Sachen Ambrosia?«
»Nichts«, meinte Irmela seufzend. »Ich habe wirklich jedes Buch über Pflanzenbau und historische Gärten gelesen, das es gibt. Dieses dämliche Ambrosiakraut gibt es nicht, das hat Walahfrid nur erfunden, damit er uns ärgern kann. Doofer Mönch.«
»Ich glaube nicht, dass es sich dabei um eine wissenschaftlich korrekte Aussage handelt«, erwiderte Hanna grinsend. »Aber wie ich dich
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