Holunderliebe
von der Tür her lautstark unterbrochen. Ich fuhr herum.
Erik. Mit seinen breiten Schultern füllte er den kompletten Türrahmen und strahlte mich an, als hätte er ein Osterei gefunden. Oder eben mich.
Ich starrte ihn entgeistert an. »Was zum Teufel tust du hier?«
»Freust du dich nicht?« Er holte sich ein Brötchen und ein hart gekochtes Ei vom Büfett, lud beides auf einen Teller, setzte sich zu mir und grinste mich an. »Es war ein ganz schönes Stück Arbeit, deine Eltern davon zu überzeugen, dass sie mir verraten, wo du steckst. Vor allem deine Mutter hat mich immer nur angesehen und bedeutungsschwere Dinge gesagt wie: ›Lass sie doch einfach in Ruhe!‹ Als ob sie eine Ahnung davon hätte, was sich zwischen uns abspielt, oder?«
Er biss herzhaft in sein Brötchen. Dann köpfte er sein Ei mit einem gezielten Schlag, der mich an eine Hinrichtung denken ließ.
»Und sie hat dir dann die Adresse gegeben, nachdem du ihr erzählt hast, dass du eigentlich ein netter Kerl bist und gerne auch ein bisschen Urlaub am Bodensee machen würdest? Mich bei meinen Forschungen unterstützen oder so?«
»Nein, wo denkst du hin? Aber sie ist kurz in die Küche, weil irgendwas übergekocht ist oder so. Da habe ich den Zettel am Telefon entdeckt, auf den diese Adresse gekritzelt war. Da war ja wohl klar, wo du dich versteckt hältst. Ich bin ja nicht blöd!« Er sah mich wieder so strahlend an, als hätte er ein besonders wertvolles Stöckchen apportiert.
»Hör mal zu, Erik, ich kann dich hier nicht gebrauchen. Und ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, was du hier von mir willst. Wolltest du dich nicht in Münster mehr um dein Studium kümmern? Hattest du das nicht neulich erst gesagt?«
»Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Du bist bei der Party für Silke einfach davongerannt. Da wollte ich mit dir reden.«
»Dafür reist du durch die ganze Republik? Und wer sagt, dass ich mit dir reden will?« Ich schüttelte den Kopf. »So läuft das nicht, Erik. Am besten, du isst jetzt dein Brötchen und verschwindest wieder.«
»Aber ich habe die ganze Nacht im Auto gesessen, um dich zu sehen.« Er sah mich an wie ein geprügelter Welpe. »Ich finde, ich habe ein Recht darauf, dass du mit mir redest. Warum lässt du mich einfach im Regen stehen? Wir sind seit einer Ewigkeit befreundet, da schuldest du mir wenigstens eine Stunde von deiner Zeit.«
»Es mag sein, dass wir seit Beginn des Studiums befreundet sind. Was übrigens keine Ewigkeit, sondern nur vier Jahre sind. Aber du hast unsere Freundschaft beendet, weil mal wieder eine junge Blondine in dein Leben getreten ist und weil du dich jetzt endlich um deinen Abschluss kümmern willst. Erinnerst du dich gar nicht – ist doch erst wenige Tage her!« Allmählich redete ich mich in Rage. Was bildete sich dieser Muskelprotz ein? Ich hatte mich noch vor wenigen Minuten so wohl gefühlt!
»Das habe ich doch nicht so gemeint! Ich dachte, wir sind Freunde, ich wollte einfach total offen sein. Es ist doch viel ehrlicher, wenn ich dir sage, dass ich ein paar Wochen lang weniger Zeit für dich habe! Mit Silke hat das nichts zu tun.«
Ich zog eine Augenbraue in die Höhe und sah ihn an. Wortlos.
»Okay, aber das ist doch nicht wie bei uns. Das ist eine Bettgeschichte, richtig reden kann ich doch nur mit dir, das ist sehr viel wichtiger für mich. Verstehst du das nicht?«
»Offensichtlich nicht.« Ich holte mir eine frische Tasse Kaffee aus dem Automaten und wandte mich wieder meinem Marmeladenbrötchen zu. Für mich war dieses Gespräch beendet. Meine Mutter hatte recht gehabt, als sie mir geraten hatte, diesen Mann einfach zu vergessen. Wie konnte er es wagen, mir vorzuschlagen, sein seelischer Mülleimer zu sein, während diese Silke die Rolle des Betthäschens übernahm?
Mein Schweigen sorgte bei Erik für Unbehagen. Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her. In diesem Augenblick tauchte die Wirtin auf und beäugte ihn misstrauisch. »Wenn Sie das Zimmer zu zweit nutzen, dann kostet das doppelt!«, erklärte sie missmutig.
Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. »Er … er hat die Nacht aber gar nicht bei mir verbracht«, erklärte ich. »Er ist gerade eben erst eingetroffen, ein Überraschungsbesuch aus meiner Heimat. Keine Sorge, wir zahlen das Extrafrühstück natürlich!«
Sie nickte. »Zehn Euro macht das.«
»Schreiben Sie es mir bitte auf die Rechnung, ja?«, schlug ich vor.
Ein weiterer missbilligender Blick war die Antwort. Sie schien meinen
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