Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Holunderliebe

Holunderliebe

Titel: Holunderliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Tempel
Vom Netzwerk:
gut aus. Wenn mir überhaupt einer das Rätsel hinter diesem Text erklären kann, dann er. Aber keine Sorge: Du hast nichts zu befürchten. Hier ist es wirklich langweilig, da kannst du dem Gras beim Wachsen zusehen. Sonst passiert nichts.«
    »Wenn du meinst.« Sie wirkte widerstrebend, und ich wurde immer noch nicht richtig schlau aus ihr. Meine Urlaube in Asien hatten sie mit weniger Angst erfüllt als dieser harmlose Ausflug an den Bodensee.
    Wir verabschiedeten uns, und ich erstellte einen Plan für den Tag, der keinen Platz für längere Tagträumereien oder Ohnmachten in irgendwelchen Gärten ließ. Als Erstes machte ich mich noch einmal auf zu dem Kloster. Dort lief ich zwischen den alten Gemäuern umher und glich die Realität mit dem ab, was ich geträumt hatte. An vielen Stellen standen die Mauern komplett anders – und am eigentümlichsten kam mir das Fehlen der Klosterstadt vor. Sie hatte sich eng um den großen Bau geschmiegt, doch jetzt lagen nur noch große Rasenflächen rings um die Kirche. Auch Mönche gab es hier längst nicht mehr, das Kloster war nur noch eine leere Hülle aus alten Steinen und verlassenen Kammern.
    Ich ging den sanften Abhang hinunter zum See, wo heute der Jachthafen lag. Hier wiegten sich die Masten sanft im Wind. Wenig später stand ich in der Bucht, wo der Adelige aus meinem Traum schwimmen gegangen war. Vorsichtig bückte ich mich und hielt ein paar Finger ins Wasser. Saukalt. Wahrscheinlich waren die Bewohner des Mittelalters doch deutlich härter im Nehmen gewesen als wir heute. Wahrscheinlich war sowieso alles nur das Ergebnis meiner überspannten Phantasie, und in diesem See hatte niemals ein Adeliger seine Verletzungen aus den Kämpfen gegen die Mauren mit kaltem Wasser therapiert.
    Die Sonne stieg allmählich in den Zenit, während ich mich auf den Weg zu Simons Laden machte. Ich wollte mich von ihm verabschieden und auch die merkwürdige Stimmung am Ende unseres letzten Treffens ausräumen. Vor allem aber wollte ich ihn noch einmal sehen, weil ich mich an seine ruhige Art gewöhnt hatte. Wenn er mir gerade keine Vorhaltungen über den Missbrauch meiner Freiheit hielt, war er nämlich ein ungewöhnlich netter Mann. Ganz anders als Erik, der die Insel längst verlassen hatte, um sich auf die Suche nach dem nächsten Henri-Nannen-Preis zu machen.
    Langsam schlenderte ich zum Laden, der mir inzwischen schon vertraut vorkam. Die ordentlichen Beete, das alte Haus, die abgegriffene Tür – und das Schild mit der geschwungenen Handschrift Bin im Garten .
    Ich folgte den Hinweis und fand ihn an einem Frühbeet, in das er mit liebevoller Sorgfalt winzige Setzlinge steckte.
    »Na, was wird das?«, erkundigte ich mich.
    Simon sah auf, und sein Gesicht verdunkelte sich. Oder war das nur der Schatten einer vorbeifliegenden Wolke? »Tomaten.« Für einen Mann, der in den letzten Tagen so gerne erklärt hatte, was er da tat, eine erstaunlich einsilbige Antwort.
    »Aber daraus machst du keinen Tee, oder?«, versuchte ich einen kleinen Scherz.
    Keine Reaktion. Er sah mich nicht einmal mehr an, sondern arbeitete einfach weiter.
    »Warst du noch einmal in dem Hortulus? Hast du herausgefunden, um was es sich bei diesem Kraut handeln könnte?«, versuchte ich eine andere Frage.
    Ohne ein Wort zu sagen, drückte Simon einen Setzling nach dem anderen in das Frühbeet, drückte die Erde fest und griff schließlich nach der Gießkanne, die neben dem Beet bereitstand. Vorsichtig goss er das Wasser an – stets darauf achtend, dass die zarten Wurzeln nicht gleich wieder freigespült wurden.
    »Hallo? Jemand zu Hause? Redest du heute nicht?« Ich wurde aus seinem Verhalten nicht schlau. Warum nur schwieg er mich mit einem Mal an?
    Langsam erhob sich Simon, sah mich nachdenklich aus seinen dunklen Augen an und strich eine Locke aus der Stirn, die sofort wieder an ihren Platz zurückfiel. »Ich möchte nicht mehr über dieses Kraut reden, das wir gefunden haben«, meinte er schließlich. »Es hat genug Unglück angerichtet. Wir sollten manche Dinge einfach lassen, wie sie sind. Ein Geheimnis, ein Wunder, was auch immer. Nichts, was uns etwas angeht.«
    »Du weißt, was es ist?«, fragte ich ungläubig. »Aber du willst es nicht mehr wissen? Was soll das denn?«
    »Das musst du nicht verstehen. Aber du musst verstehen, dass ich dir nichts weiter sagen werde. Ich habe eingesehen, dass man manche Dinge besser ruhen lassen sollte. Und du solltest auch begreifen, dass du diese Insel besser

Weitere Kostenlose Bücher