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Holunderliebe

Holunderliebe

Titel: Holunderliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Tempel
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ungefragt Ratschläge.
    Wenn ich es mir recht überlegte, dann war ich der Sache mit dem Manuskript hier keinen Deut näher gekommen, mein Leben geriet nur immer mehr außer Kontrolle. Und das völlig ohne mein Zutun.
    Erik sah mich mit einem merkwürdigen Lächeln an, bevor er sich erhob. »Ich muss jetzt gehen. Aber ich wünsche dir alles Gute.« Damit verschwand er, und ich starrte noch ein Weilchen auf den leeren Sessel. Was war das jetzt gewesen? Ein weiterer Auftritt meines ehemaligen besten Freundes. Hatte er mir gerade eben erklärt, dass er jetzt sein Studium endgültig hinwerfen wollte? Erik hatte schon öfter merkwürdige Anwandlungen gehabt, aber so schlimm wie jetzt war es noch nie gewesen.
    Da war der Sommer, in dem er beschlossen hatte, dass Triathlon sein Ding war. Erst musste ich alle seine Trainingspläne mit ihm durchsprechen, dann die Anschaffung von Laufschuhen und Fahrrad begleiten. Um dann mitzuerleben, wie all diese Gegenstände verstaubten und Erik sein nächstes Ding machte. Mit der gleichen Begeisterung und der gleichen Ernsthaftigkeit, mit der er wenige Wochen vorher das Training betrieben hatte. Wenn ich mich richtig erinnerte, war es das Schreiben von Drehbüchern. Erik war davon überzeugt, dass er den nächsten Filmpreis bekommen würde. Oder so. Leider wollte dann doch niemand seine Idee kaufen – ich war mir nicht einmal sicher, ob er sie überhaupt irgendwo angeboten hatte. Als Nächstes war er in den Vertrieb einer Wunderschokolade eingestiegen, die schlank machte. Hätte es funktioniert, wäre er wohl reich geworden. So aßen alle seine Freunde monatelang Schokolade, die so dick machte wie alle anderen auch und nur hin und wieder etwas befremdlich schmeckte.
    Ich hatte mich daran gewöhnt, dass Erik immer wieder mit kindlicher Begeisterung etwas Neues fand. Ja, ich hatte in diesem Charakterzug sogar etwas Liebenswertes entdeckt. Bis er vor ein paar Wochen seine Begeisterung für sein Studium und für Silke entdeckt hatte. Kein Wunder also, dass ich seiner jetzigen Idee nicht allzu viel Bedeutung beimaß.
    Sehr viel mehr berührte es mich, dass unabhängig voneinander zwei so verschiedene Männer wie Simon und Erik mir nahelegten, ein wenig mehr über mein Leben nachzudenken. Sollte ich das vielleicht doch ernst nehmen?
    Ein Weilchen saß ich noch im Pensionszimmer herum und ließ meine Gedanken wandern, bis ich schließlich das Licht löschte und ins Bett ging. Mit ein bisschen Glück würde ich eine traumlose Nacht haben, das war mir für diesen Augenblick mehr als genug.

18.
    D er Frühling hatte sich offensichtlich fest auf der Reichenau eingenistet. Noch vor dem Frühstück machte ich mein Versprechen an mich selber wahr und rief endlich bei meiner Mutter an. Sie klang besorgt.
    »Warum hast du dich denn nicht gemeldet? Wie ist es denn auf der Insel? Hast du irgendetwas über dieses alte Manuskript herausgefunden?«
    »Es ist wunderschön hier, es hat etwas von Urlaub für ältere Herrschaften. Euch würde es hier bestimmt gefallen. Schöne Wanderwege, nette Restaurants, nichts los. Dazu das alte Kloster. Aber um ehrlich zu sein: In Sachen Manuskript komme ich keinen Deut weiter. Alles, was ich hier gefunden habe, ist ein Nachbau von diesem mittelalterlichen Garten. Das hilft mir aber auch nicht weiter. Ich fürchte, du hast recht gehabt. Allmählich weiß ich auch nicht mehr, was ich hier eigentlich wollte …« Es war schon immer am besten gewesen, meiner Mutter reinen Wein einzuschenken. Sie hatte ein untrügliches Gespür für Notlügen und Ausflüchte.
    Jetzt konnte ich ihr erleichtertes Lächeln am anderen Ende der Leitung fast hören. »Das ist schön zu hören, Liebling. Natürlich nicht, dass du nichts gefunden hast, sondern dass du jetzt bestimmt bald heimkommen willst. Oder?«
    »Doch, schon. Morgen oder übermorgen breche ich meine Zelte wieder ab. Dann werde ich endlich bei meinem Prof zu Kreuze kriechen und zugeben, was mir passiert ist. Vielleicht sorgt mein Fund wenigstens dafür, dass ich nicht sofort von der Uni fliege.«
    »Was willst du denn noch bis morgen, wenn du sowieso nichts findest. Komm doch heute schon nach Hause!«
    Was hatte meine Mutter nur gegen die Reichenau? In einem fort wollte sie mich von dieser Insel fernhalten. Mit einem Anflug von Sturheit schüttelte ich den Kopf. »Nein, ich möchte mich noch mit einem jungen Mann unterhalten, den ich kennengelernt habe. Er ist wirklich nett, und er kennt sich mit dem Hortulus dieses Mönchs

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