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Holunderliebe

Holunderliebe

Titel: Holunderliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Tempel
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Freund aufmerksam an. »Und du? Wie geht es dir bei diesem merkwürdigen Auf und Ab der Gefühle?«
    »Nicht besser als den anderen, fürchte ich. Mal kann ich es nicht erwarten, endlich mein Erstgeborenes zu sehen – und dann wieder habe ich Angst vor der Zukunft.«
    »Und was hast du deinem Bruder geschrieben? Wollte er dich nicht enterben, wenn du weiter auf der Sintlasau bleibst und einem geschwängerten Fischersmädchen die Hand hältst?« Walahfrid sah neugierig aus.
    Thegan grinste. »In diesem Fall war der Wintereinbruch von Vorteil. Ich habe es vorgezogen, ihm einfach nicht zu antworten. Bei diesem Wetter und den vereisten Wegen wäre es doch durchaus möglich, dass ein Brief sein Ziel nicht erreicht, meinst du nicht?«
    »Das möchte ich lieber nicht gehört haben«, erwiderte Walahfrid lachend. »Ich müsste um mein Seelenheil fürchten! Und das ist in diesen Tagen ausreichend gefährdet.«
    »Wie das?« Thegan strich sich eine Locke aus dem Gesicht und sah seinen Freund erwartungsvoll an. »Ich bin mir sicher, dass du zu keiner Sünde fähig bist. Was hast du getan? Einen Streifen Speck aus der Speisekammer gestohlen?«
    »Gott bewahre, du solltest allmählich wissen, dass ich diesen Genüssen nicht sonderlich zugeneigt bin. Nein, ich verbringe zu viel Zeit damit, meinen ›Hortulus‹ endlich fertigzustellen. Aber der Abt hat mir bedeutet, dass meine Tage auf der Sintlasau wohl gezählt sind. Wenn der Frühling wieder längere Reisen zulässt, dann muss ich mich wohl auf den Weg machen. Mein Gedicht sollte dann fertig sein, denn ich fürchte, meine neuen Aufgaben werden mir kaum die Zeit lassen, mich um so eitle Dinge wie ein Gedicht zu kümmern. Und so neige ich dazu, das eine oder andere Gebet zu vernachlässigen, um an meiner Dichtkunst zu feilen. Verdammenswert, ich weiß.«
    »Nicht in meinen Augen«, winkte Thegan ab. »Deine Brüder beten ausreichend für dich mit, wenn ich es richtig sehe. Und sie können im Gegensatz zu dir in ihrer freien Zeit kaum einen Satz zu Papier bringen, der es wert wäre, dass dafür ein Pergament verschwendet wird. Was ist es denn, was dir bei deinem Gedicht so schwerfällt? Ich dachte, es wäre eigentlich schon fertig?«
    »Ist es auch. Aber ich kann mich nicht entscheiden, ob ich dein maurisches Kraut aufnehmen soll. Ist es wirklich das, was wir erhofft haben – oder ist es doch nur ein Scherz deines Medicus gewesen? Oder funktioniert es vielleicht doch nur in Verbindung mit der Magie der Muselmanen, die ich nicht beherrsche? Ich weiß es nicht.«
    »Vernichte es! Das Zeug ist nichts wert. Seit Monaten hast du dich jetzt daran versucht. Sei froh, dass das Beet endlich leer ist und mit dem Schnee und Frost wahrscheinlich das letzte bisschen Leben aus der Pflanze weicht.«
    »Ich weiß nicht …« Walahfrid zuckte mit den Schultern. »Ich gehöre nicht zu den Menschen, die schnell aufgeben. So manches Kräutlein kann sein Geheimnis eben besser bewahren als andere. Ich frage mich oft, wie unsere Vorfahren wohl anfangs die heilende Wirkung von Blättern und Blüten herausgefunden haben. Man legt doch nicht aus einer Laune heraus ein Blatt auf eine Wunde oder bereitet einen Tee zu? Was denkst du?«
    »Ich habe mir oft vorgestellt, dass wir dieses Wissen von unserem Schöpfer in die Wiege gelegt bekommen haben. Doch nach der Vertreibung aus dem Paradies konnten wir uns nicht mehr daran erinnern. Nur wenige Menschen hatten noch eine Ahnung von diesem alten Wissen. Meinst du nicht, dass es so gewesen sein könnte?«
    »Dann müssten die heilkundigen Frauen in den Wäldern ja eine besonders enge Bindung an ihren Schöpfer haben«, meinte Walahfrid. »Dabei habe ich gerade bei ihnen oft den Eindruck, dass sie lieber die Götter verehren, die sie in den Pflanzen sehen, als unseren einen Gott.«
    »Aber du hast mich neugierig gemacht: Weißt du inzwischen genauer, was im nächsten Jahr an Aufgaben auf dich zukommt? Wirst du das Kloster verlassen müssen?« Der Adelige sah seinen Freund aufmerksam an.
    Ein leichtes Schulterzucken war die Antwort. »Mein Abt hat ein Schreiben vom Hofe des Kaisers erhalten. Ich soll nach Aachen. Ludwig der Fromme bedarf meiner Dienste.« Seine Stimme klang leise und fast schüchtern. Ungewöhnlich für den jungen Mönch, der sonst so voller Selbstvertrauen durch den Tag ging.
    Thegan schlug ihm mit der flachen Hand anerkennend auf den Rücken. »Das ist doch großartig! Du wirst die Welt der großen Politik kennenlernen. Mit Menschen

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