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Holunderliebe

Holunderliebe

Titel: Holunderliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Tempel
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reden, die wirklich den Lauf der Welt verändern!«
    »Ich bin mir nicht so sicher, ob ich mich freuen soll«, murmelte Walahfrid. »Sieh dich um: Schon hier werde ich oft angegriffen, so mancher Bruder mag sich nicht mit meinen Freiheiten und meiner Stellung im Kloster abfinden. Wie mag das erst am Hofe des Kaisers werden, wo jeder Einzelne danach strebt, seinen Einfluss geltend zu machen. Ich muss realistisch sein: Im nächsten Jahr werde ich mich öfter als bisher umsehen müssen, ob mir nicht ein missgünstiger Mensch ein Messer zwischen die Rippen rammen will.«
    »Das siehst du zu düster.« Thegan schüttelte den Kopf. »Du wirst mit den klügsten Köpfen unseres Reiches zusammen sein. Keine dumpfen Gespräche mehr mit einem nutzlosen Krieger wie mir!«
    Walahfrid nahm seinen Freund in den Arm. »Dich werde ich am meisten vermissen! Es ist so erfrischend für meinen Geist, mit dir zu reden, denn du musst weder die Regeln im Kloster noch die in der Stadt befolgen.«
    »Ob das etwas Gutes ist, möchte ich lieber nicht kommentieren«, konterte Thegan lächelnd. »Ich werde nicht ewig dem Gebot meines Bruders und dem Verbot von Routger Folge leisten können. Wenn mein Kind erst auf der Welt ist, muss ich Entscheidungen treffen. Ein Jahr lang habe ich mit meiner Zeit herumgetändelt, dann sollte ich mein Leben in die Hand nehmen.«
    Die Wahrheit blieb unausgesprochen: Erst wenn Thegan wusste, ob er künftig eine kleine Familie oder nur einen Sohn zu versorgen hatte, konnte er sich um seine Zukunft kümmern. Beide hingen ihren Gedanken nach und sahen in das leise vor sich hin knisternde Feuer, das Walahfrid jetzt endlich zum Brennen gebracht hatte.
    »Wirst du dich für Gottschalk einsetzen können?«, fragte Thegan unvermittelt.
    Der Mönch hob ratlos seine Hände. »Ich weiß es nicht. Das Urteil ist verbindlich, er wird sich nicht so benehmen können, als wäre es nicht ergangen. Er muss sich der Profess unterwerfen, egal was kommt. Und dann hat sein Abt die Macht über ihn. Aachen ist fern, womöglich kann ich nichts ausrichten. Und sein Abt wird wohl kaum dulden, dass ich Gottschalk an den Hof des Kaisers hole. Es ist wohl auch schwerlich der richtige Ort für einen so freien Geist.«
    Fast wirkte es, als ob der hünenhafte Freund, mit dem sie den Sommer verbracht hatten, zwischen ihnen am Feuer säße. Er würde jetzt sicher unbeschwert lachen und mit seinem nicht zu bezwingenden Glauben an die Freiheit einen neuen Plan entwickeln.
    »Wirst du überhaupt wieder auf die Sintlasau zurückkehren?«, fragte Thegan schließlich. »Oder wirst du den Rest deiner Tage dem König mit deinem Rat zur Seite stehen?«
    »Die Wege des Herrn und der Ratschluss von Königen sind nicht vorherzusehen. Soweit ich weiß, hat Ludwig drei Söhne, von denen nicht einer zu einem Leben in Kontemplation neigt. Wenn sie dereinst an die Macht kommen, dann sollte ich mich am besten wieder in ein Kloster zurückziehen.« Langsam breitete Walahfrid seine Hände aus. »Aber wer weiß? Womöglich werde ich auf dem Weg nach Aachen überfallen und erschlagen und habe mir meine jetzigen Sorgen ganz vergebens gemacht.«
    Jetzt lachten beide Männer. Ihr Gespräch wandte sich dem Klatsch über die Mönche und den Geschehnissen in der Klosterstadt zu. Offensichtlich hatte bei den Vigilien der letzten Nacht die Laterne fast ein Dutzend Mal den Besitzer gewechselt, so häufig waren die Mönche eingeschlafen. Die Kälte und der gewürzte Wein, den sie am Vorabend genossen hatten, passten nur schlecht zum Gebet vor Sonnenaufgang.
    Etwas später erhob Thegan sich wieder und wickelte sich fest in seinen großen, wollenen Umhang. »Ich sollte dich jetzt alleine lassen, damit dir morgen früh nicht Ähnliches widerfährt, mein Freund. Wir sehen uns morgen zum Fest zur Geburt unseres Herrn, nicht wahr?«
    Walahfrid nickte nur. »Aber sicher. Ich freue mich, dich dann zu sehen. Bis dahin: Genieße eine ruhige Nacht!«
    Thegan trat vor die Tür und sah sich überrascht um. In der kurzen Zeit, die er bei seinem Freund verbracht hatte, war eine dicke Schneedecke vom Himmel gefallen und breitete sich jetzt wie eine weiche Decke über dem Garten des Klosters aus. Der Schnee glitzerte im Mondschein und sah unwirklich schön aus. Langsam ging Thegan zu seiner Kammer, die ihm schon lange wie eine zweite Heimat vorkam. Im Schnee hinterließ sein Schuhwerk Spuren, und für einen Augenblick kam er sich vor, als wäre er der erste Mensch, der über diese Welt

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