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Holundermond

Holundermond

Titel: Holundermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Wilke
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geworden. Zweimal hatten die Türken das Kloster überfallen und in Brand gesteckt.
    Mit den Büchern waren auch die Geheimnisse verbrannt, denen er seit Jahren auf der Spur war und die er sich jetzt mühsam, wie Teilchen aus einem riesigen Puzzle, zusammensuchen musste.
    Da hörte er Schritte.
    »So. Jetzt ist Schluss mit den Spielchen.« Holzer war in die Zelle getreten und verschloss die Tür hinter sich wieder sorgfältig.
    »Welche Spielchen?« Jan zwang sich, ruhig zu atmen, jede Bewegung tat ihm weh und er hatte körperlich ohnehin keine Chance gegen den großen schlanken Historiker.
    »Wo ist Ihr Notizbuch?«
    Jan schloss die Augen. Das Notizbuch. Holzer hatte es also offensichtlich nicht gefunden. Er durfte sich seine Erleichterung auf keinen Fall anmerken lassen.
    »Ich habe keine Ahnung, wo es ist. Ich habe es nach meinem Sturz nicht mehr gesehen. Vielleicht liegt es noch oben auf dem Speicher.« Jan zwang sich, seinem Gegner fest in die Augen zu schauen.
    »Es ist nicht mehr da.« Holzer kam drohend näher. »Los. Leeren Sie Ihre Taschen aus!«
    »Ich habe das Notizbuch nicht, Mann. Vielleicht hat es einer der Bauarbeiter gefunden oder die Putzfrau!«
    Holzer packte Jan am Kragen, zerrte ihn von der Pritsche und schüttelte ihn. Jan schrie auf.
    »Machen Sie Ihre Witzchen mit einem anderen! Es gibt auf dem Speicher keine Putzfrau. Wenn Sie das Notizbuch nicht haben, dann haben es die Kinder!«
    Die Kinder? Für einen kurzen Moment vergaß Jan den Schmerz, der sich wie ein Messer in seine Brust bohrte. Wie sollten denn Nele und Flavio an das Notizbuch gekommen sein?
    Als ob er Jans Gedanken lesen konnte, antwortete ihm Holzer: »Die Kinder waren im Kloster. Dieser dreckige kleine Italiener und Ihre Tochter. Haben hier herumgeschnüffelt. Und vermutlich haben sie das Notizbuch gefunden und mitgenommen. Aber von diesen kleinen Bälgern lasse ich mir nicht die Tour vermasseln, das verspreche ich Ihnen!«
    Nele war im Kloster gewesen? Zusammen mit Flavio? Was hatten sie hier gewollt? Hatten sie ihn gesucht? Die Knie drohten ihm wegzusacken und Holzer stieß ihn zurück auf die Pritsche.
    »Los, rufen Sie Ihre Tochter an!« Er hielt ihm das Handy unter die Nase. »Haben Sie mich nicht verstanden? Sie sollen Ihre Tochter anrufen! Sagen Sie ihr, dass es Ihnen gut geht. Sie mussten beruflich plötzlich nach Linz, dortwerden Sie zwei oder drei Tage bleiben. Sie soll sich keine Sorgen machen. Und sagen Sie ihr«, Holzer senkte seine Stimme zu einem Flüstern, »dass sie sich vom Kloster fernhalten soll.«
    Hatte Holzer zwei bis drei Tage gesagt? Dann war er schon weiter, als Jan befürchtet hatte. Aber so leicht wollte er sich nicht geschlagen geben.
    »Zwei bis drei Tage brauchen Sie nur noch? Haben Sie also schon gefunden, was Sie suchen?«
    »Halten Sie den Mund!« Holzer holte aus und schlug zu.
    Jans Kopf flog nach hinten. Er schmeckte Blut und leckte sich über die Lippe. Er hatte also recht gehabt. Holzer war der Dieb. Die Frage war nur, was hatte er vor? Und – am wichtigsten – wer war er wirklich?
    »Sie brauchen meine Notizen gar nicht. Sie wollen nur verhindern, dass andere sie lesen und Ihnen auf die Schliche kommen.« Fieberhaft dachte Jan nach. Er musste einen Weg finden, um Holzer aufzuhalten. Seit Monaten war er dem Geheimnis der Kirchendiebstähle auf der Spur. So kurz vor dem Ziel durfte er nicht aufgeben.
    »Wo haben Sie die anderen Gegenstände versteckt? Hier im Kloster?« Jans gepresste Stimme verriet seine Aufregung. Vielleicht half ihm die Flucht nach vorne. »Glauben Sie wirklich, Sie können mich im Kloster festhalten? Spätestens morgen wird die Polizei nach mir suchen.«
    Aber Holzer hatte sich wieder im Griff. Fast gelangweilt hielt er ihm das Handy unter die Nase.
    »Denken sie daran, in welcher Lage Sie sich befinden. Rufen Sie Ihre Tochter an. Und vergessen Sie nicht: Ein falsches Wort und Sie werden sie nicht wiedersehen.«
    Jan starrte in die eisblauen Augen des Historikers. Die Kälte ließ ihn innerlich erstarren. Mechanisch griff er nach dem Telefon, tippte Neles Nummer ein und wartete auf den Klingelton.

14
    Nach Linz. Jan war einfach nach Linz gefahren, ohne ihr vorher etwas zu sagen. Das sah ihm ähnlich. Nele fing an zu begreifen, wie es ihrer Mutter Tag für Tag, Jahr für Jahr gegangen sein musste, und zum ersten Mal in ihrem Leben hasste sie Jan. Sie hasste ihn für das, was er erst Lilli und jetzt ihr angetan hatte. Sie hasste ihn dafür, dass ihm all die Kirchen und

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