Holy Shit
angebliche Überbleibsel unserer Darmentwicklung am Blinddarm, der Appendix vermiformis, mit zehn Zentimetern erstens ein großer Wurm, dazu wohl fürs Immunsystem von gewisser Bedeutung. Von Bedeutung sind auch die vielen, vielen Wurmarten, die unseren Boden durchringeln, aber Schimpfende kümmern sich selten um Biologie, sondern mehr um den Anschein. Und da spricht wenig für das gekrümmte, längliche, oft blasse, manchmal gefährliche Wesen (Fadenwürmer mit ihren 20 000 Arten werden beispielsweise bis zu – man staune – acht Meter lang), das selbst als Regenwurm nicht viele Sympathien auf sich vereinigt, höchstens als Bandwurm in Satzform Liebhaber findet; mehr unter den Autoren freilich als unter den Lesern, wie man hört.
Beknacktes Axolotl! oder: Ein Herz für seltene Tiere
Die Literatur brachte 2010 ein bleiches Tier ans Tageslicht, das zuvor unbemerkt sein Leben fristete. Seit Helene Hegemanns Roman »Axolotl Roadkill« eine meist niveaulos geführte Plagiatsdebatte auslöste, kennen sich nicht nur Terrariumbesitzerund Zoos mit dem Tierchen aus. Seine biologische Klassifizierung ermöglichte schönste Schimpfwörter: »Mexikanischer Schwanzlurch! Querzahnmolch!« Das klingt doch saftig und treffend.
Ich garantiere die Überraschung Ihrer Gegner (nicht allerdings deren Friedlichkeit), wenn Sie rare Tiere als Kraftausdrücke nutzen. Die Poesie der binären Nomenklatur kommt dazu. Eine Millionenfülle an Bezeichnungen der allerseltsamsten Art steht hier zur Verfügung, die Sie ohne Gefährdung seltener Lebewesen ausbeuten können für die Perfektionierung und den Ausbau Ihres Schimpfwortschatzes.
Nehmen Sie mein Lieblingstier, das ich seit der ersten Begegnung bewundere: den Plumplori. Klingt ausgedacht, aber ich sah ihn selbst. Dieser kleine Feuchtnasenaffe bewegt sich wie beim Tai-Chi in Zeitlupe vorwärts. Ich zweifelte an meinen Sinnen. Andere mögen mit seinem Namen Faulpelze beschimpfen.
Oder wie wäre es, einen Einfältigen mit »Du Simpel von einem Pinselschwanzbilch!« zu verspotten? »Dämlicher Flachkopfschildbauch!« klingt doch prima beleidigend und »stinkender Ferkelskunk«, »blödes Ceylonfroschmaul«, »wütender Wüstenteufel«, »spitzschnäuziger Flossenfuß«, »perverse Panama-Blindwühle« und »kackender Kookaburra« kaum weniger.
PS Ein Freund versucht es gerade mit Pilznamen und löst damit immerhin produktive Verwirrung aus, wenn er andere beschimpft als »Schmierröhrling«, »Faltentintling«, »Stinkmorchel« (lateinischer Name übrigens: Phallus impudicus = Schamloser Schwanz), »Riesenbovist«, »Frühjahrs-Lorchel«!
11.
Wenn der Wichser mit der Schlampe:
Männerschimpfworte, Frauenschimpfworte
Schon beim »Scheißtyp« ist klar: Das muss ein Mann sein, im Gegenzug dächte bei »alte Schabracke« niemand an ein männliches Wesen. Wir sehen Schicksale vor uns, wenn er sie als »Schreckschraube«, sie ihn als »Mistkerl« beschimpft. Und wenn die »Schlampe« mit dem »Wichser« gegen das »Flittchen« und den »Schlappschwanz« vom Leder ziehen, dann lassen sie alle weder Zweifel an ihrer Geschlechtszugehörigkeit noch am Geschlechterkampf. Das Sexualverhalten spielt eine große Rolle bei der Wahl der Kraftausdrücke. Frauen wirft man häufig wechselnde und zahlreiche Partner vor: »Hure«, »Nymphomanin«, »Dorfpritsche«. Männer glaubt man – egal, ob Geschlechtsgenossen oder Frauen schimpfen – mit Angriff auf ihre Potenz oder ihre Heterosexualität treffen zu können: »Weichei«, »Versager«, »Homo«, »Schwuli«.
Beim Schimpfwörtergebrauch für Mann und Frau werden bemerkenswerte Unterschiede zwischen deren Geschlechtsorganen gemacht. Der Malediktologe Aman meint dazu in seinem »Bayerisch-österreichischen Schimpfwörterbuch«: »Wie bei vielen Synonymen von Penis hat dieses Wort die Grundbedeutung ›dumm‹, ›grob‹; Synonyme von Vulva dagegen bedeuten ›gerissen‹, ›raffiniert‹, ›gemein‹.« Diese Bedeutung schwingt mit in den bayerischen Ausdrücken »Bixn« (Büchse), was auch »freche, leichtlebige, durchtriebene Frau«heißt, »Bixmadam«, »Bumpal«, »Dottl«/»Faing«. Dagegen erscheinen die Männer in ihren Schimpfwörtern immer wieder als dumm, trottelig, schwanzgesteuert, als Herumtreiber in Kraftausdrücken wie »Bäandreiwer« (»Bärentreiber«), »Bimpara« (»Pimperer«), »Fêgla« (»Vögler«), »Fûdnarrischa«, »Fûdneidiga«, »Gaibeä« (»Gaubär« = Mann, der sich im ganzen Gau herumtreibt) oder »Beä«
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