Holy Shit
dagegen besser weg, denn der »Floh im Ohr« als fixeIdee stört nicht allzu sehr. Da muss schon eine Wanze kommen, um stärker zu ärgern. »Wanz dich nicht so an!«, schilt man einen unterwürfig, schmeichlerisch, arschkratzerisch sich annähernden Menschen vor allem in Süddeutschland.
Man könnte es aber auch mit exotischeren Insekten versuchen, denn mit annähernd einer Million Arten ist die Auswahl groß. Hier nur einige Vorschläge: »Hau ab, du garstige Gespensterschrecke!«; »Du stinkender Moschusbock!«; »Giftspritzende Treiberameise!«; »Schleich dich, taumelnder Tausendfüßler!«; »Schamlose Schnabelkerfe, du!«; »Fransenflügliger Gewitterwurm!«; »Gierige Termite!«; »Dünnblütige Kamelhalsfliege!«
Quallen und Schleimspurrutscher. Harte Ausdrücke mit Weichtieren
Im Meer entzückt und erschreckt die Qualle gleichermaßen. Es kommt darauf an, ob sie schwerelos glasbunt daherschwebt oder einen mit nesselgiftschleudernden Tentakeln anfasst. Als Schimpfwort trifft man sie seltener, aber doch immer dann, wenn jemand widerlich formlosen Charakters, gallertartig nachgiebig, glitschig ungreifbar sich zeigt, so dass »wie ein Aal« wie ein Kompliment wirkte. Nicht nur harter Widerstand kann manche nämlich auf die Palme bringen, auch die unerbittliche Nachgiebigkeit mancher Zeitgenossen, die dauernd zurückzuweichen scheinen und doch immer stören.
Noch schlimmer sind sie, wenn sie einen vereinnahmen, umarmen, nicht loslassen wollen, sich solcherart in ein nicht weniger unangenehmes Weichtierwesen verwandeln: den »Kraken«, den Octopus, den Polypen. Wer hier an Polizei denkt, ist wohl wie ich schon ein wenig älter. Die Greifer im Dienste des Staates haben zwar keine acht Arme, doch die abfällige Bezeichnung »Polyp« hat sicher mit ihren krakengleichenFang- und Greifeigenschaften zu tun. Dazu kam noch die Klangähnlichkeit zwischen »Polizei« und »Polyp«. Gegenüber »Bulle« wirkt das Schimpfwort weniger beleidigend. Dass der »Polyp«, »Cop«, »Bulle«, der »Schneemann mit weißer Mütze« (Autobahnpolizei früher), der »Grüne« (inzwischen wieder der »Blaue«) häufiger jemanden »zur Schnecke macht«, versteht sich. Da hilft dann auch kein »Schleimen« – im Gegenteil. Ordnungshüter lieben die Anbiederungsversuche von Schmeichlern wahrscheinlich noch weniger als andere, wittern sie doch miese Absichten hinter überfreundlichem Verhalten. Das bringt man gern mit den Schnecken in Verbindung, weil sie ja die bekanntesten Schleimtiere sind. Das Schimpfwort »Schleimer« kommt aber weniger von ihnen als von salbungsvoll sprechenden Menschen. Die Vorstellung, dass man mit einer Flut von Schmeichelworten jemanden einschmieren kann wie mit Creme, dass man ihn damit auch gleichsam anschmiert, ist alt. Diese öligen, salbenartigen Worte, die an Adels- und Königshöfen die »Speichellecker« (es gibt sogar den Ausdruck »Schleimlecker«) besonders gut beherrschten, betrachtete man bald als widerlich wie Schleim. »Schleimbeutel«, eigentlich nur eine anatomische Bezeichnung, bot sich als Bezeichnung für solche Typen an, auch »Schleimpilz« und »Schleimfisch«, die es beide zwar wirklich gibt, die als Schimpfwort aber besonders gut passen, weil sowohl Pilze wie Fische auf Menschen angewendet negative Assoziationen wecken. Die ultimative Steigerung der Schmeichlerbeschimpfung ist dann »Schleimscheißer«: Das wertet doppelt ab und passt klanglich ideal. Da nur »Kriecher« all das taten, lag die Verbindung der Schleimschimpfworte mit den Schnecken sehr nahe.
Verächtlich oder liebevoll benennen Männer mancher Gegenden auch Frauen »Schnecke« oder »Schneckla« und sprechen sogar davon, »eine Schnecke angraben« zu wollen. Das hat damit zu tun, dass eine der vielen Bezeichnungen für dieVulva eben »Schnecke« ist; daneben übrigens auch – schon wieder ein Weichtier – »Muschel«.
Die Venusmuschel und die Darstellung der antiken Liebesgöttin, die aus einer Muschel an Land steigt, mag neben der Ähnlichkeit von Schamlippen und Muschelspaltensäumen eine zusätzliche Rolle gespielt haben.
Das könnte die Weichtiere wurmen, so verachtet zu werden, zumal das schon lange so geht. Denken Sie an den höfischen Widerling namens Wurm in Schillers Drama »Kabale und Liebe«, den sein Name schon genügend charakterisiert. Wer das noch steigern will, beschimpft jemanden als »Wurmfortsatz«. Das klingt nach Kriechtier und klassifiziert einen als etwas Überflüssiges. Dabei ist das
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