Holy Shit
(»Saubär, Eber«).
Dass es eine starke Veränderung im Bereich der geschlechtsspezifischen Schimpfwörter gibt, erwähne ich nur kurz zum Schluss. »Kerl« war mal ein Ehrentitel, mal Spottname, »Schlampe« und deren englische Entsprechung »slut« waren früher eindeutig negativ, dienen heute jedoch zum Beispiel bei den internationalen »Slutwalks« als kämpferisch positive oder im Falle von »Schlampen-Yoga« etc. als ironisch positive Bezeichnungen. »Weib« wie »Dame« erlebten ein Hin und Her von Ehrenbezeichnung zu neutralem Wort, von Schimpfwort wieder zum Ehrentitel – je nach Ton freilich. Das »herrlich« von »Herr« und »dämlich« von »Dame« stamme, soll abschließend noch als dummes Vorurteil aus der Welt geschafft werden. »Herrlich« geht wie »Herr« auf »hehr« zurück, das »altehrwürdig« und dann »hervorragend«, »glänzend« bedeutet, was auf »Herren« und »Herrscher« sich auswirkte. Die »Dame« kommt aus dem lateinischen »Domina«, also »Herrin«; »dämlich« hängt dagegen mit dem bayerischen Wort »damisch« zusammen, das ebenfalls »dumm« heißt, und beide gehen auf eine indoeuropäische Wurzel zurück, die ursprünglich Taubheit bezeichnete.
Wörterbuch der bürgerlichen Empörung
Seltsam, aber besonders in bürgerlichen Kreisen schimpft man nach wie vor und völlig unreflektiert mit Begriffen zur Diffamierung anderer, die man eigentlich längst ausgestorbenwähnte. Ja, selbst in Schülerkreisen hört man vom »nuttigen Outfit« einer »Schlampe«, die nichts weiter als eine »Halbprofessionelle« sei oder noch schlimmer »eine alte Jungfer«.
Es ist immer noch vorzugsweise der Bereich des Sittlichen, der dazu herhalten muss, Metaphern für den Verfall von Pflicht und Ordnung zu liefern und die Angst vor dem Missliebigen zu bebildern. Besonders wenn Kommentatoren zwischenmenschlicher Beziehungen zur Keule bürgerlicher Empörung greifen, fühlt man sich in Gefilde versetzt, auf deren Auen der Mann noch der Mann und die Frau noch das Tier ist.
Umgekehrt dienen die Ausdrücke der bürgerlichen Empörung natürlich der Verschleierung sowie der Rechtfertigung der eigenen Verhaltensweisen. Man empört sich mit Hilfe von Euphemismen, geschraubten Umschreibungen und altväterlichen Archaismen über das unverblümte Beim-Namen-Nennen derer, die nicht dazugehören. Eine kleine alphabetische Liste führt in dies wenig bekannte Gebiet der deutschen Seele und ihre teils komischen, teils schauerlichen Abgründe. Kaum verhohlener Neid spielt ebenfalls gern in diese Wendungen hinein. Besonders praktisch an dem folgenden »Wörterbuch der bürgerlichen Empörung«: Man kann sehr viele Ausdrücke produktiv verbinden und dabei ihre Schlagkraft erhöhen. Zum Beispiel: »Eine Schande, wie dieses aufgedonnerte Flittchen sich an den alten Hagestolz rangeschmissen und ihn dann auch noch abgeschleppt hat, die perverse Schlampe!« Dass in liberal denkenden, modernen und emanzipierten Kreisen viele der folgenden Ausdrücke inzwischen umgedeutet wurden, ändert nichts an dem Fortbestehen der alten Bedeutungen und dem schmierigen bis selbstgerechten Gebrauch der Wendungen in (spieß)bürgerlichen Schichten.
»Sich jemanden angeln« (zum Beispiel den Chef ): Tun mehrheitlich Frauen, indem sie jemanden ködern, gern einen tollen Hecht, der dann an Land gezogen wird.
»Sich aufdonnern«: Tun kurioserweise immer nur Frauen, die für den Schimpfenden erotisch anziehend sind.
»Jemanden aufreißen«: In der Regel Weiber; häufig Wunschtraumgerede unter Männern.
»Ausschwitzen, es nicht können«: »Es« macht pro »Mal« ungefähr 2 bis 6 ml aus, Schweiß 100–200 ml (am Tage und ohne besondere Anstrengungen).
»Mit der könnt ich nicht mal, wenn sie mir nackt auf den Bauch gebunden wär«: Kuriose Provokation, ausgelöst durch angeblich mangelnde sexuelle Attraktion einer Frau, besonders solcher, die man sowieso nicht rumkriegen könnte.
»Es jemandem besorgen«: Vor allem Männer glauben, nur sie könnten es den Frauen. Dafür machten angeblich Frauen eher Besorgungen oder sich Sorgen.
»Jemanden nicht von der Bettkante schubsen«: Scheinbar das Gegenteil von >»Mit der könnt’ ich nicht mal, wenn sie mir nackt auf den Bauch gebunden wär«; oft aber ebenso über Frauen gesagt, die man nicht rumkriegen kann.
»Casanova«/ »Westentaschen-«: Männer mit mehr Erfolg bei den »Damen« als der Schimpfende. Frauen mokieren sich damit über Männer, die andere als sie selbst
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