Holzhammer 02 - Teufelshorn
ging der Fuß bis zum Hintern. Diese Tatsache hatte zwischen Matthias und ihr anfangs zu manch einem Missverständnis geführt.
Vom Parkplatz ging es auf einem breiten Weg fast horizontal bis zur Skipiste, die jetzt im Sommer natürlich Alm war. Sobald man aus dem Wald trat, hatte man einen prächtigen Blick auf den Watzmann sowie auf eine vegetationslose, von Raupenspuren zerfurchte, schlammige Fläche unterhalb des Weges. Die Spuren der sogenannten Geländeanpassung, die mit dem Ausbau der Beschneiungsanlage einherging. Man egalisierte die Skiabfahrt, Löcher wurden aufgefüllt, Erhebungen eingeebnet. In den letzten Wochen hatten sie in der Schönau manchmal sogar das Grollen von Sprengungen gehört. Die Maßnahme wurde als Dienst am Kunden verkauft, der Jenner würde einfacher zu befahren und damit familienfreundlicher werden. In Wirklichkeit diente die Einebnung jedoch vorrangig einem anderen Zweck – dadurch war nämlich viel weniger Schnee notwendig. Wenn es keine Bodenwellen gab, reichten 30 Zentimeter gut festgewalzter Schnee. Ließ man den Berg so uneben, wie er nun mal war, brauchte man mindestens das Doppelte, um komfortablen Skilauf zu ermöglichen. Geländeanpassung hieß jedenfalls: Das Gelände wurde an die Bedürfnisse der Menschen angepasst. Rot-weißes Absperrband flatterte im Wind.
Christine bog auf den Steig über den Krautkaserhang ein. Der Steig lief neben der Alm empor. Wenn der DSV an den Jenner wechselte, würde hier ein modernes Trainingsgelände entstehen.
Noch grasten Kühe auf der zukunftsträchtigen Wiese, bergauf, bergab waren bunt gekleidete Touristen aller Altersstufen unterwegs. Als Christine hoch genug war, konnte sie zu Füßen des Watzmanns ein Stück vom Königssee sehen, der heute in seiner typisch grünen Färbung schimmerte.
Nach eineinhalb Stunden war sie an der Bergstation, die ein Selbstbedienungsrestaurant beherbergte. Als sie auf die Terrasse mit den Biertischen trat, sah sie Holzhammer bereits an der Brüstung stehen. Er blickte nach Süden auf die Gipfel des Steinernen Meeres. Durch die niedrige Luftfeuchtigkeit herrschte perfekte Sicht. Neben Holzhammer saß eine Bergdohle auf dem Geländer. Die spähte genau in die andere Richtung, auf die Currywurst eines Gastes.
Christine trat neben Holzhammer an die Brüstung. Sie begrüßten sich und gingen dann schweigend ein paar Schritte den Weg entlang, damit nicht mehr so viele Ohren um sie herum waren.
«Erlebnisberg Jenner», sagte Holzhammer.
«Mir ist das hier Erlebnis genug», antwortete Christine und machte eine umfassende Handbewegung vom Schneibstein übers Steinerne Meer bis hin zum Watzmann.
«Auf jeden Fall ist es koan Mord wert», sagte Holzhammer, um auf den Punkt zu kommen.
«Allerdings. Es ist also sicher Mord gewesen?», fragte Christine.
«Ja, des ham die Spuren eindeutig ergeben», sagte Holzhammer. «Mir wissen, dass der Stranek sich in a Joppn krallt hat, bevor er obi gefallen ist. Das bedeutet, er wurde gestoßen oder dass es zumindest ein Handgemenge gab. Wobei, i dad scho sog’n, dass wenn man auf so einer Tour ein Handgemenge anfängt, dann weil man will, dass einer fällt. Des ist kein Gelände, wo man zum Spaß rauft.» Holzhammer kannte den Übergang zwischen den Teufelshörnern sehr wohl. Es war zwar lange her, dass er oben gewesen war, aber solche Eindrücke vergaß man nicht.
«Und wie kann ich dir nun helfen?», fragte Christine.
«Mei, so genau kann ich das gar ned sagen», antwortete Holzhammer. «Des Problem ist halt, fast alle hatten die gleichen Joppen an. Bloß ausgerechnet der Seiler nicht. Der kommt also nach der Spurenlage als Täter ned in Frage. Aber er ist der Einzige, dem ich des ohne weiteres zutrauen dad.»
«Und ich soll dir helfen, ihm trotzdem was am Zeug zu flicken? Das ist aber ein bisschen merkwürdig, findest du nicht?» Christine fand das sogar ziemlich merkwürdig.
«Nein, so war das ned gemeint. Aber sieh mal, wieso ist er dann auch gefallen? I kimm direkt von seinem glorreichen Krankenbett. Vorher wollten sie mich ned zu eam lassen. Und ich sag dir, der lügt. Weißt du, was der sagt? Helfen wollt er! Er hat sich sogar Journalisten ans Krankenbett bestellt, um denen seine Heldentaten aufs Aug zum drücken. Er schildert des a so: Der Stranek ging vor ihm und bekam auf einmal Probleme. Schwindel, Angst oder sonst was. Der Seiler sieht, dass der Stranek schwankt, und springt hin, um ihn zu halten. Er kommt aber zu spät, der Stranek fällt. Und der Seiler
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