Holzhammer 02 - Teufelshorn
überreden. Und sie hatte so etwas wie Torschlusspanik, was das Ende der Bergsaison betraf. In die letzten schönen Tage wollte sie so viele Berge wie möglich packen. Und wenn es nur eine kleine Nachmittagstour war. Für Samstag hatte sie sich schon den Grünstein-Klettersteig vorgenommen. Und für den Feiertag am Montag noch eine letzte, größere Tour – wenn das Wetter irgendwie mitmachte.
«Gehen sicher ned. Und auffi fahren kann ich da nur mit Blaulicht, das wär das Gegenteil von unauffällig.» Die Kehlsteinstraße war nicht für den allgemeinen Verkehr freigegeben, da durften nur die Busse fahren. Holzhammer überlegte. «Aber wie wäre es mit dem Jenner, da komm ich mit der Seilbahn hin. Du kannst ja auffi gehen, mir treffen uns oben. Vielleicht gibt’s da sogar noch was Interessantes zu erfahren.»
«Gute Idee», antwortete Christine. «Wie eilig ist es denn? Ich hätte morgen Nachmittag frei.»
«Das langt schon, auf einen Tag kommt’s ned an. Es besteht ja keine Fluchtgefahr. Und diesmal auch ned die Gefahr von weiteren Toten. Vermutlich.»
So verabredeten sie sich für den nächsten Tag auf der Terrasse des Bergrestaurants am Jenner. Christine würde zu Fuß hinaufgehen, Berghammer mit der Seilbahn fahren. Dann hatte er auch noch genug Zeit, vorher bei Alois Seiler im Krankenhaus vorbeizuschauen. Wenn die Ärzte ihn endlich zu dem Menschen ließen.
[zur Inhaltsübersicht]
4
Dienstagvormittag. Holzhammer hatte gut geschlafen, gut gefrühstückt und dann mehr oder weniger gut an seinem Schreibtisch etwas Papierkram erledigt. Er sah auf die Uhr und rechnete vom ausgemachten Treffen mit Christine zurück. Ja, man konnte guten Gewissens sagen, dass er jetzt dringend losmusste. Er wollte ein Stück Landschaft zwischen sich und die Dienststelle bringen, bevor Fischer auftauchte und ihn nach Ermittlungsergebnissen löcherte, die er nicht hatte.
Er war extra nicht in Uniform zum Dienst erschienen, denn das Treffen sollte ja inkognito erfolgen. Und zum blöden Seiler konnte er mit oder ohne Uniform, der wusste, wer Franz Holzhammer war. Er lenkte seine Schritte zum Dienstwagen und diesen dann Richtung Krankenhaus. Tatsächlich hatte er diesmal keine Schwierigkeiten, zu dem Seilbahnbetreiber vorgelassen zu werden. Die Frau an der Pforte nannte ihm, ohne zu zögern, eine Zimmernummer im dritten Stock. Holzhammer nahm natürlich den Fahrstuhl.
Er kannte sich im Krankenhaus aus – nicht nur wegen der etwas illegalen Aktion, die er letztes Jahr mit Christine im Keller durchgezogen hatte. Er hatte auch selbst schon in einem der Betten gelegen. Damals hatte die gestrenge Schwester Lambertis noch hier gewirkt. Jahrzehntelang war die Ordensfrau als Oberschwester tätig gewesen. Sie hatte Tausende Berchtesgadener gepflegt. Jeder kannte sie, jeder mochte sie, und jeder fürchtete sie. Denn wenn es um die Genesung ging, verstand Schwester Lambertis keinen Spaß. Wer seine Übungen nicht machte oder seine Tabletten nicht regelmäßig und pünktlich nahm, der bekam ihren ungefilterten biblischen Zorn zu spüren.
Holzhammer hatte damals mit einem Spezi zusammen auf einem Zimmer gelegen, beide mit Sportverletzungen. Damit es etwas lustiger wurde, hatten sie sich von einem dritten Spezi mit einem Tragerl Bier versorgen lassen, obwohl Alkohol im Krankenhaus strengstens verboten war. Dann war Schwester Lambertis zum Bettenmachen hereingekommen. Und während sie so schön die Kissen aufschüttelte, war eine volle Bierflasche unter dem Bett hervorgerollt. Holzhammer und sein Kollege hatten einen Riesenschreck bekommen, sie dachten beide, dass sie jetzt rausfliegen würden. Aber was hatte Schwester Lambertis getan? Sie hatte gefragt, ob sie das Bier nicht besser im Schwesternkühlschrank kalt stellen solle. Ja, Schwester Lambertis hatte gewusst, was ein Berchtesgadener zur Genesung brauchte.
Der Lift war angekommen, und die Türen glitten mit dem typischen Liftgeräusch auseinander. Holzhammer hörte Stimmengewirr. Was war denn da los? Eine Zimmertür stand weit offen. Genau die Tür, die er suchte. Grelles Licht schien aus dem Zimmer. Sehr merkwürdig. Holzhammer pirschte sich näher heran und spähte um die Ecke. Da stand ein Scheinwerfer im Zimmer. Und ein Beleuchter. Und ein Reporter mit einem Mikrophon mit einem BR-Aufkleber. Außerdem noch der rasende Reporter von Radio Untersberg, das jetzt Bayernwelle SüdOst hieß. Der Fernsehmann vom Bayerischen Rundfunk interviewte gerade Alois Seiler, und der Radiomann hielt
Weitere Kostenlose Bücher