Home at Heart - Liebe auf Umwegen
selbstverständlich nach New York kommen würden, wenn die Hochzeit stattfinden würde, doch sie hatte genauso gut wie ihre Enkelin gewusst, dass sie dies nur des lieben Friedens willen gesagt hatte. Lorelai hatte ihrer Mutter und ihrer Großmutter schon des öfteren Einladungen nach New York geschickt. Zweimal hatte sie sogar Tickets gekauft und per Boten nach Red Oak bringen lassen, doch die Flugscheine waren jedes Mal wieder zurückgekommen – gefolgt von einem entschuldigenden Anruf aus Red Oak, in welchem ihre Großmutter oder ihre Mutter unter Vorhaltung irrelevanter Tatsachen zu erklären versuchte, dass sie – dieses mal – nicht kommen konnten, beim nächsten Mal aber bestimmt nach New York fliegen würden.
2
Der Tag, der Lorelais Leben so vollständig auf den Kopf stellen sollte, war ein Donnerstag gewesen. Donnerstag war der Abend, an dem Lorelai für gewöhnlich mit ein paar Kolleginnen auf einen After-Work-Drink in die Cocktailbar in der 93. Straße ging und selten vor elf nach Hause kam. An diesem Donnerstag jedoch würde sie Cocktails gegen Hustensaft und Wärmeflasche eintauschen müssen. Sie hatte schon den ganzen Vormittag über mit einer Frühlingsgrippe gekämpft, fühlte sich fiebrig, verschnupft, hatte Halsschmerzen und hustete, was das Zeug hielt.
„Hey, wie sieht ‘s heut aus mit ein paar leckeren Pina Coladas?“
Sally Friedman , eine Junior Art Directorin steckte ihren Kopf in Lorelais Büro, und Lorelai schrak von dem E-Mail hoch, das sie gerade vertieft gelesen hatte. Es war eine unausgesprochene Regel, dass Sally jeden Donnerstag um kurz vor drei sämtliche Büros abklapperte, und die Truppe zusammentrommelte.
„Tut mir leid, Sally, ich muss heute passen“, schniefte Lorelai und wischte mit einem Taschentuch über ihr e Nase, „ich glaube, ich brüte irgendwas aus!“
Sally schlüpfte in Lorelais Büro, warf einen Blick auf die Tonnen von Taschentüchern, die sich über Lorelais Schreibtisch verteilt und die auch fast den ganzen Papierkorb für sich eingenommen hatten. Dazwischen standen Packungen mit Aspirin und Hustensaft, Nasenspray und eine übergroße Kanne Tee.
„Du siehst auch echt übel aus, Lori“, sagte Sally mitfühlend, „du solltest wirklich zusehen, dass du so schnell wie möglich nach Hause kommst. Ich bin mir sicher, Rob pflegt dich so schnell wie möglich gesund!“
Grinsend, und dennoch mit mitfühlendem Blick verließ sie Lorelais Büro.
Um halb sieben, viel zu spät für jemanden, der sich mit einer Grippe herumschlägt, fuhr Lorelai ihren Computer herunter und machte sich auf den Heimweg. Die Kopfschmerzen waren jetzt so stark geworden, dass es sich anfühlte, als würde eine Truppe Bauarbeiter mit Presslufthämmern ihre Gehirnzellen bearbeiten. Ihr Nacken schmerzte und ihre Stimme war auf dem besten Weg, sich zu verabschieden. Das einzige, was sie sich an diesem Abend noch wünschte, war ein heißes Erkältungsbad gefolgt von ebenso heißem Tee, ihren flauschigen Pyjama mit den Teddybären, den sie nur dann herauskramte, wenn sie – so wie jetzt – krank war und einen Abend, dick eingepackt auf der Couch vor dem Fernseher.
Das Appartement, das sie gemeinsam mit Rob bewohnte, lag in der 63. Straße in einem schicken, modernen Appartementhaus. Es war ihr Appartement gewesen und Rob hatte, als sie zusammen gekommen waren, mehr und mehr von seinem Zeug angeschleppt, bis sie schließlich beschlossen, dass es sinnvoller war, wenn er sein Appartement, das ohnehin die meiste Zeit leer stand, aufgab.
Die Wohnung lag im vierundzwanzigsten Stock und bot an klaren Tagen eine wunderbare Aussicht auf Manhattan. Lorelai schloss die Tür auf und bekam einen neuerlichen Hustenanfall, der sich anfühlte als hätte sie ein Paket Nähnadeln geschluckt. Sie warf die Tür hinter sich ins Schloss, schlüpfte im Gehen aus ihren Pumps und verzichtete darauf, sie in den Schuhschrank zu stellen. Ihre Louis-Vuitton-Tasche stellte sie auf dem kleinen Tischchen an der linken Wand unter der Garderobe ab. Ihr war heiß. Sie überlegte, wie hoch das Fieber wohl war, das sie sich mit dieser Grippe eingefangen hatte und beschloss, sich am nächsten Tag krank zu melden um sich das Wochenende über erholen und am Montag wieder fit zu sein.
Sie schlurfte ins Wohnzimmer, vorbei an der großen, weißen Polstercouch und hielt erst einmal inne. Ein dunkelblauer, schmal geschnittener Rock hing halb über der Lehne. Ein Rock, der ihr definitiv nicht gehörte. Zu ihren
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