Home Run (German Edition)
hat wohl auch die Hypothek auf das Haus seiner Eltern abbezahlt, was aber nicht sehr viel war.«
»Keine neue Corvette?«, erkundige ich mich.
»O nein. Er hat für zweitausend Dollar Hank Thatchers alten Ford Pick-up gekauft. Hank war gerade gestorben, und seine Frau verkaufte ein paar von seinen Sachen. Den Pick-up wollte sie nicht behalten, also hat Joe ihn gekauft.«
Das ist einer der Gründe dafür, warum ich nicht in einer Kleinstadt leben will. In einer Großstadt würde man nie über derart private Dinge sprechen. Man wüsste nicht einmal etwas davon.
Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so frisches Gemüse gegessen habe. Sara kocht sehr gesund, aber so gut haben mir Zucchini und Auberginen noch nie geschmeckt. »Das Essen ist hervorragend«, sage ich zum zweiten oder dritten Mal.
»Das freut mich«, antwortet Fay. Mir fällt auf, dass sie nur sehr wenig isst. Clarence spült sein Essen mit Wasser hinunter, doch der Lemon Gin ist immer in Reichweite. Zwei Fischkutter tuckern leise über den Fluss und fahren auf den kleinen Hafen zu, der in einiger Entfernung unter der Brücke liegt. Wir reden über Fays Schwester in Missouri, die unheilbar an Krebs erkrankt ist und möchte, dass die beiden am Wochenende zu Besuch kommen. Das bringt das Gespräch wieder auf meinen Vater.
»Wann hat er die Diagnose bekommen?«, erkundigt sich Fay.
»Vorige Woche. Krebs im Endstadium. Er hat nur noch ein paar Monate, vielleicht sind es auch nur noch ein paar Wochen.«
»Das tut mir leid«, sagt sie.
»Haben Sie ihn schon besucht?«, fragt Clarence.
»Nein. Ich fliege morgen nach Florida. Wie ich schon sagte, standen wir uns nie sehr nahe. Er hat die Familie verlassen, als seine Karriere den Bach runterging, und kurze Zeit später wieder geheiratet. Mein Vater ist kein netter Mensch, Clarence, er gehört nicht zu den Männern, mit denen man seine Zeit verbringen möchte.«
»Das glaube ich Ihnen gern. Vor ein paar Jahren habe ich mal einen Artikel über ihn gelesen. Nach dem Ende seiner Baseballkarriere hat er versucht, Profigolfer zu werden, was ihm aber nicht gelang. Anscheinend hat er dann ohne viel Erfolg Immobilien in der Nähe von Orlando verkauft. Er hat darauf beharrt, dass er nicht auf Joe gezielt habe, doch der Reporter hatte so seine Zweifel. Ich glaube, wir haben alle unsere Zweifel.«
»Die sind auch berechtigt«, sage ich.
»Und warum?«
Ich wische mir mit einer Leinenserviette über den Mund. »Weil er auf Joe gezielt hat. Ich weiß, dass es so war. Er leugnet es seit dreißig Jahren, aber ich weiß, was passiert ist.«
Eine lange Pause entsteht, in der wir in unserem Essen herumstochern und dem Surren der alten Ventilatoren über uns zuhören. Schließlich greift Clarence zu seinem Glas und kippt ein paar Fingerbreit Lemon Gin hinunter. Dann fährt er sich mit der Zunge über die Lippen. »Sie haben keine Ahnung, wie aufgeregt wir alle waren, wie viel es der Stadt und vor allem seiner Familie bedeutet hat. Nach so vielen großartigen Spielern dieses Namens hatte es ein Castle endlich einmal ganz nach oben geschafft«, sagt er.
»Ich wünschte, ich könnte sagen, dass es mir leidtut.«
»Wie könnten Sie? Sie sind nicht daran schuld. Außerdem ist es jetzt dreißig Jahre her.«
»Das ist eine lange Zeit«, bemerkt Fay, während sie auf den Fluss starrt. Eine lange Zeit, schon möglich, aber man würde es nie vergessen.
»Ich schätze, Sie waren nicht dabei«, sagt Clarence.
»Doch, ich war dabei. Am 24 . August 1973 . Im Shea Stadium.«
12
Mein Vater war schlecht gelaunt, als er aus dem Haus ging – allein. Ich hatte mehr als einmal angedeutet, dass ich gern mit ihm zusammen zum Stadion fahren würde, doch er hörte mir gar nicht zu. Die New Yorker Zeitungen machten einen Riesenwirbel um das Spiel, und ein Reporter – der schärfste Kritiker meines Vaters – beschrieb das Match als »Gegenüberstellung von Jugend und Alter. Warren Tracey, der vierunddreißig ist und seine beste Zeit schon hinter sich hat, gegen Joe Castle, den vielversprechendsten jungen Baseballstar, seit Mickey Mantle 1951 von den New York Yankees unter Vertrag genommen wurde.«
Jill war in einem Ferienlager in den Catskills Mountains. Ich überredete meine Mutter dazu, mit mir in die Stadt zu fahren und einen früheren Zug zu nehmen. Ich wollte mir das Schlagtraining ansehen und vor allem einen ersten Blick auf Joe Castle werfen. Um 16 . 30 Uhr stiegen wir aus der U-Bahn, zweieinhalb Stunden vor
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