Home Run (German Edition)
fünfundfünfzig war, so ungefähr vor zehn Jahren, überredete ihn seine damalige Frau – Karen, glaube ich –, mit dem Trinken und dem Rauchen aufzuhören. Was er dann tatsächlich auch tat, doch für seinen Körper war es zu spät. Die arme Karen. Sie begriff sehr schnell, dass er weitaus verträglicher war, wenn er soff. Die beiden ließen sich scheiden, und da mein Vater nie lange allein blieb, heiratete er bald darauf Agnes, seine jetzige Frau.
Sie leben in einer dieser geschlossenen Wohnanlagen, die typisch für Florida sind, mit Reihen niedriger, moderner Häuser, die neben Fahrrinnen und Teichen liegen und an einen Golfplatz grenzen. Jeder ist über sechzig und fährt ein Golfwägelchen.
Da wir gerade beim Golf sind. Nach dem Ende seiner Baseballkarriere stürzte sich Warren mit großer Begeisterung auf Golf, weil er hoffte, dass es seine nächste Karriere werden würde. Er tat sich irgendwo in der Nähe von Sarasota mit einem Berufsgolfer zusammen und spielte und trainierte jeden Tag mehrere Stunden. Damals war er fünfunddreißig, und alles sprach gegen ihn, doch er war der Meinung, dass er nichts zu verlieren hatte. Er qualifizierte sich für den Citrus Circuit, eine zweitklassige Tour im Süden Floridas, die man vielleicht mit einer Class-B-Mannschaft in den Minor Leagues vergleichen könnte. Sein zweites Turnier gewann er, und das brachte seinen Namen ins Kleingedruckte eines Artikels im Miami Herald. Jemand las den Artikel und seinen Namen. Dieser Jemand erzählte es weiter, woraufhin ein grober Plan geschmiedet wurde. Beim nächsten Turnier, genau in dem Moment, in dem Warren seinen ersten Schlag ausführen wollte, begannen einige nachtragende Fans der Cubs, ihn lautstark zu beschimpfen. Er trat einen Schritt zurück, wechselte ein paar Worte mit den Männern und wartete darauf, dass einer der Offiziellen eingriff. Bei solchen Turnieren herrschen jedoch keine besonders strengen Sicherheitsvorkehrungen, und die Hooligans weigerten sich zu gehen. Als sein erster Ball in einem kleinem See landete, jubelten und brüllten die Fans der Cubs. Sie folgten ihm auf den ersten neun Löchern, bis er nur noch ein Nervenbündel war.
Die Konzentration eines Golfers ist ein empfindliches Pflänzchen, wofür die strikten Verhaltensregeln der PGA für Fans Beleg genug sind. Warren war jedoch weit davon entfernt, auf PGA -Turnieren zu spielen, und der Citrus Circuit hatte nur wenig Einfluss darauf, was für Zuschauer kamen – falls überhaupt welche kamen. Sie verfolgten Warren Tracey, und egal, wo er spielte, sie legten sich in den Hinterhalt und warteten. Bei einem Turnier startete er auf den ersten drei Löchern jeweils mit einem Birdie, als noch Ruhe herrschte, doch als er sich dem Abschlag am vierten Loch näherte, wurde er von mehreren groß gewachsenen, streitlustigen jungen Männern angepöbelt. Seine Schlaganzahl stieg, sein Blutdruck auch, und als er in der zweiten Runde seines fünften Turniers achtundachtzig Schläge brauchte, gab er auf.
Offenbar wohnen in Florida eine Menge Fans der Cubs, denn im Laufe der Jahre gab es zwischen ihnen und Warren eine ganze Reihe unschöner Begegnungen auf Golfplätzen. Dazu kamen Schlägereien in Bars, Geschäften und auf Flughäfen. Eine Weile bezahlte er stets in bar und ließ die Kreditkarten in der Tasche. Einmal wurde er bei einem Immobiliengeschäft um vierzigtausend Dollar betrogen, von zwei Männern, die Fans der Cubs waren und ihn mit Absicht in die Sache hineingezogen hatten. Der Nachname Tracey ist nicht sehr weit verbreitet, und deshalb bekam Warren noch viele Jahre nach dem Beanball Schwierigkeiten.
Der betagte Wachmann lässt mich durch das Tor. Es ist früher Abend, und auf den Fußwegen neben der kurvenreichen Straße sehe ich Paare, die Rad fahren oder walken. Der Golfplatz liegt verlassen da. Alles ist grün und sehr gepflegt.
Meinen Recherchen zufolge ist das Haus sechshundertfünfzigtausend Dollar wert und wurde vor fünf Jahren von Warren und Agnes gekauft. Ich führe nicht Buch, aber es muss das fünfzehnte Haus in den dreißig Jahren sein, die Warren inzwischen in Florida lebt. Er ist wohl eher der rastlose Typ; von Frauen und Häusern hat er schnell genug.
Ich habe ihn seit vier Jahren nicht gesehen. Sara und ich haben damals mit den Mädchen den obligatorischen Trip zu Disney World gemacht, und aus irgendeinem Grund dachte ich, es wäre für die Kinder wichtig, ihren Großvater väterlicherseits zumindest einmal kennenzulernen. Es war ein
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