Home Run (German Edition)
zerstört hast. Genau das werden sie sagen, und du kannst nichts dagegen tun.«
»Geh bitte.«
»Nichts lieber als das, Warren, aber lass mich erst ausreden. All den Kummer, den du verursacht hast – die vernachlässigten Kinder, den misshandelten Sohn, die Alkoholsucht, die Seitensprünge, die Spur der Verwüstung, die du hinterlassen hast. Das kannst du nicht wieder in Ordnung bringen, Warren, selbst wenn du das wolltest, was mit Sicherheit nie der Fall sein wird. Aber es gibt einen Menschen, dem du die Hand geben kannst, dem du dadurch vielleicht das Leben ein bisschen leichter machst. Tu es, Warren. Tu es für Joe. Tu es für dich selbst. Tu es für mich.«
»Du hast den Verstand verloren.«
Ich greife in mein Jackett und hole ein paar zusammengefaltete Seiten heraus. »Ich möchte, dass du das liest. Der Titel lautet ›Joe Castle und der Beanball‹, von Paul Tracey, Sohn von Warren Tracey. Ich habe es vor vielen Jahren geschrieben und seitdem tausendmal überarbeitet. Jedes Wort ist wahr. Ich habe vor, es so bald wie möglich nach deinem Tod zu veröffentlichen. Anfangen werde ich mit der Sports Illustrated, dem Baseball Monthly und den Zeitungen in Chicago, was danach kommt, weiß ich noch nicht, aber irgendjemand wird es schon drucken wollen. Ich will keinen Cent dafür haben. Ich will, dass die Wahrheit ans Licht kommt.« Ich lasse die Seiten auf seinen Schoß fallen. »Eine Veröffentlichung wirst du nur verhindern können, wenn du mit mir nach Calico Rock fährst und mit Joe redest.«
»Erpressung?«
»Du hast es erfasst. Eine ganz altmodische Erpressung, aber für einen guten Zweck.«
Ich werfe eine Visitenkarte auf das Sofa. »Ich übernachte in dem Best Western die Straße runter. Wenn du reden willst, treffen wir uns in deinem Lieblingsrestaurant, Wink’s Waffles, morgen früh um neun.«
Er kratzt sich die Stirn, als ich den Raum verlasse. Agnes sehe ich auf dem Weg nach draußen nicht.
Ich beziehe mein Zimmer in dem Best Western, rufe zu Hause an und rede eine Weile mit Sara, dann gehe ich nach unten, um etwas zu essen. Das Restaurant ist leer und wenig einladend, doch in der Lounge sitzen ein paar Vertreter und unterhalten sich bei einem Drink. Ich suche mir einen Tisch aus, bestelle ein Sandwich und ein Glas Tee und bemerke den Fernseher in der Ecke. Die Cubs spielen gegen die Mets, der Ton ist abgedreht. Ich starre auf den Bildschirm. Es ist mein erstes Baseballspiel seit dreißig Jahren.
16
Am 8 . September 1973 spielte Warren Tracey gegen die Padres in San Diego. Im ersten Inning musste er zwei Walks abgeben, wurde dann aber durch ein Double Play bei voll besetzten Bases gerettet. Im zweiten Inning gab er noch einmal zwei Walks ab, dann musste er zwei Doubles in Folge hinnehmen. Ralph Kiner, der Radiomoderator, bezeichnete sein Pitching als »Schlagtraining«. Als Yogi Berra ihn auswechselte, hatten die Padres einen Vorsprung von fünf Runs und zwei Runner auf den Bases, und die Mets, die von ihren letzten zehn Spielen acht gewonnen hatten, steckten in Schwierigkeiten.
Bei seinen letzten drei Spielen hatte Warren nur drei Innings gepitcht und dabei siebzehn Runs, zwölf Hits und dreizehn Walks abgegeben. Sein ERA – Earned Run Average – war fast dreistellig. Nachdem er Castle getroffen hatte, konnte er nicht mehr auf den Körper pitchen, was jeder Hitter in der National League wusste. Die New Yorker Sportreporter und Fans wollten seinen Kopf, und es war klar, dass die Mets etwas unternehmen mussten. Die Mannschaft war am Gewinnen – mit Ausnahme von Warren –, und es wurde offen darüber spekuliert, welcher Pitcher ihn ersetzen sollte.
Es gab noch mehr Druck. Am 15 . September sollten die Mets zu einer aus drei Spielen bestehenden Serie in Chicago ankommen, und es bestand eine sehr große Wahrscheinlichkeit, dass das Erscheinen von Warren Tracey auf dem Baseballfeld von Wrigley zu Blutvergießen führen würde. Morddrohungen gingen ein – in der Geschäftsstelle der Mets, als anonyme Leserbriefe, an die Privatadressen von Spielern der Mets. Die Chicagoer Sportreporter spekulierten darüber, wie gefährlich es im Wrigley Field sein würde, wenn die Mets so dumm wären, Tracey auf den Wurfhügel zu stellen. Commissioner Bowie Kuhn beobachtete die Situation sehr genau.
Am 14 . September, drei Wochen nach dem Beanball, lösten die Mets den Vertrag mit Warren Tracey vorzeitig auf.
Mein Vater rief natürlich nicht zu Hause an, um uns zu sagen, dass er aus der Mannschaft geflogen
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