Home Run (German Edition)
wolltest, und sie sind alle verlogen und ziemlich krank, aber wie du gesagt hast, so war dein Spiel. Du hast ihm den Erfolg missgönnt und die Aufmerksamkeit, die er bekommen hat. In deinem verdrehten Hirn hat er dich dumm aussehen lassen, als er im ersten Inning einen Home Run geschlagen hat. Du wolltest der Erste sein, der ihn am Kopf trifft. Du hast es genossen, Spieler zu treffen und Schlägereien anzuzetteln. Und du warst neidisch, weil ich, wie unzählige andere kleine Jungs im Sommer 1973 , Joe Castle angebetet habe. Du hattest mich verprügelt. Und dann hast du versucht, das wiedergutzumachen, du hast versucht, mein Held zu sein, und du konntest den Gedanken nicht ertragen, dass ich davon träumte, ein anderer Spieler als du zu werden. Das sind die Gründe dafür, und vermutlich gibt es noch ein paar mehr, aber das reicht. Ich weiß Gott sei Dank nicht, was du denkst.«
»Dann ging es also um dich?«
»Das habe ich nicht gesagt, Warren. Nur du weißt, warum du es getan hast. Das Kranke daran ist, dass du es nicht zugeben kannst. Du lügst seit dreißig Jahren und hattest nie genug Rückgrat, zuzugeben, was du getan hast.« Das klingt jetzt viel schärfer als beabsichtigt.
Seine Schultern sinken ein wenig nach unten, und auf seiner Stirn stehen plötzlich kleine Schweißperlen. Er kneift sich in die Nase. »Paul, es tut mir leid, dass ich dich verprügelt habe«, flüstert er fast.
Ich verdrehe frustriert die Augen und hätte am liebsten geflucht. »Dafür hast du dich schon hundertmal entschuldigt. Ich bin nicht hier, weil du mich geschlagen hast. Ich bin nicht hier, um dir vorzuhalten, welche Fehler du als Vater gemacht hast. Damit habe ich schon vor langer Zeit abgeschlossen.«
Mit einer Papierserviette wischt er sich den Schweiß aus dem Gesicht. Seine Haut hat das bisschen Farbe verloren. »Ich habe auf Joe gezielt, aber ich schwöre, dass ich ihn nicht verletzen wollte«, sagt er mit einer Stimme, die plötzlich schwach und heiser klingt.
Darauf habe ich gewartet. Es ist eine der größten Lügen des Baseballs, eine der faulsten Ausreden in der Geschichte dieses Sports. Ich schüttele ungläubig den Kopf. »Mein Gott, das überrascht mich«, sage ich. »Die gleiche dämliche Ausrede, die Pitcher schon seit hundert Jahren benutzen. Dann will ich das mal klarstellen, Warren. Du wirfst einem Batter mit voller Absicht einen Fastball ins Gesicht, mit einhundertvierzig oder einhundertfünfzig Stundenkilometern, aus achtzehn Metern Entfernung, einer Distanz, bei der ihm weniger als eine Sekunde für eine Reaktion bleibt, mit der Absicht, dem Ziel, dem Traum, zu sehen, wie der Ball ihn irgendwo oberhalb des Halses trifft und ihn umhaut, vorzugsweise so, dass er bewusstlos ist. Wenn sie ihn vom Feld tragen müssen, keine große Sache. Wenn er ein paar Spiele verpasst, keine große Sache. Doch wenn ein Beanball tatsächlich einmal schweren Schaden anrichtet, kannst du dich mit dem alten Spruch ›Aber ich wollte ihn doch nicht verletzen‹ aus der Affäre ziehen. Merkst du denn nicht, wie lächerlich das ist? Du hörst dich an wie ein Dummkopf, wenn du das sagst.«
Mir ist klar, dass das wieder zu scharf klingt, doch im Moment kämpfe ich darum, nicht die Beherrschung zu verlieren.
Warren lässt den Kopf hängen, nickt und sieht dann durch das Fenster hinaus. Vor dem Eingang drängen sich Senioren. Die Kellnerin sieht immer wieder in unsere Richtung. Ich glaube, sie braucht unseren Tisch, aber ich habe es nicht eilig.
»Es gehörte doch zum Spiel dazu«, murmelt er schließlich.
»Zu deinem Spiel vielleicht«, gebe ich zurück. »Aber du warst ja auch ein Kopfjäger.«
»War ich nicht.«
»Warum hast du dann auf den Kopf der Batter geworfen? Warum hast du Joe nicht am Oberschenkel, an der Hüfte oder an die Rippen getroffen, an irgendeinem Körperteil unterhalb der Schultern? Das schreibt der Kodex doch vor, nicht wahr, Warren? Der Kodex schreibt vor, dass es manchmal notwendig ist, einen Spieler zu treffen – das kann ich verstehen. Aber der Kodex sagt auch, dass man niemals auf den Kopf eines Spielers wirft. Aber du warst ja einer von den ganz Harten, stimmt’s? Du wolltest Joe am Kopf treffen.«
»Dieses Gespräch langweilt mich. Was willst du, Paul?«
»Lass uns zusammen nach Calico Rock fahren. Du kannst dich mit Joe hinsetzen, ihm die Hand geben, sagen, was zu sagen ist, ein langes Gespräch führen, über Baseball, über das Leben, was auch immer. Ich werde dabei sein. Joe hat zwei Brüder,
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