Home Run (German Edition)
zu treffen und Schlägereien anzuzetteln. Was war der Grund für den Beanball, Warren? Du hast ihn so oft benutzt. Vielleicht war dir klar geworden, dass du Joe anders nicht vom Spielfeld bekommst, und deshalb hast du ihn am Kopf getroffen. War es so?«
»Du hast keine Ahnung.«
»Okay, dann erklär es mir. Warum hast du es nie bereut, Joe Castle mit Absicht im Gesicht getroffen zu haben?«
»Es gehört zum Baseball dazu. Das ist so ähnlich wie der Footballspieler, der sich das Genick bricht oder einen Meniskusschaden hat und nie wieder spielen kann. Der Boxer mit Hirnschaden. Der Rennfahrer, der bei einem Unfall auf der Strecke ums Leben kommt. Der Skifahrer, der in einen Abgrund fährt. Das ist Sport, okay? Solche Sachen passieren eben, und wenn es dazu kommt, läuft man nicht weinend in der Gegend rum und entschuldigt sich und versucht, alles wieder in Ordnung zu bringen. Das ist nicht das Spiel, das ich kenne.«
Ich werde nicht mit ihm streiten. Ich könnte die nächste Stunde damit verbringen, Löcher in seine verdrehte Logik zu schießen, was aber rein gar nichts bringen würde. Wir legen eine Pause ein und hören dem Geplapper um uns herum zu. Mein Vater und ich, zum ersten Mal seit Jahrzehnten. Genau genommen kann ich mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal mit ihm allein gewesen bin. Nachdem er die Familie im Stich gelassen hat, habe ich ihn ein halbes Dutzend Mal gesehen, und nur zwei von diesen kleinen Familientreffen waren seine Idee gewesen. Es gibt so vieles, was ich ihm jetzt sagen möchte – nichts davon ist besonders nett –, und ich muss mich beherrschen, um nicht den Müll eines ganzen Lebens über ihm auszuschütten. Doch ich habe mir geschworen, dass ich ihn nicht beschimpfen werde. Angesichts seiner aktuellen emotionalen Verfassung würde es mich wundern, wenn Warren Tracey sitzen bliebe, wenn ich ihm sage, was ich von ihm halte. Er ist immer noch ein Kämpfer.
Die Kellnerin bringt meine Waffel, die dick mit Schlagsahne überzogen ist. Ich beiße in die Wurst – so etwas würde Sara nie im Leben kaufen – und komme dann wieder auf den Grund unseres Treffens zu sprechen. »Dann gibst du also nach dreißig Jahren endlich zu, dass du Joe absichtlich getroffen hast?«
»Am liebsten würde ich gar nichts mehr zu dir sagen, weil du es sonst vielleicht in deine kleine Kurzgeschichte mit einbaust. Und da du Familienangelegenheiten nach draußen tragen willst, vertraue ich dir sowieso nicht.«
»Na gut. Du hast mein Wort darauf, dass nichts von dem, was du heute sagst, in die Geschichte kommt.«
»Ich traue dir trotzdem nicht.«
»Ich werde jetzt nicht mit dir über Dinge wie Vertrauen und Verantwortung diskutieren. Warum hast du den Beanball auf Joe Castle geworfen?«
»Er war ein arroganter Kerl, und es hat mir nicht gefallen, was er mit Dutch Patton gemacht hat. Dutch und ich haben zusammen in Cleveland gespielt.«
»Er war nicht arrogant, jedenfalls nicht arroganter als jeder andere Spieler in den Major Leagues. Und du hast nie mit Dutch Patton zusammen in Cleveland gespielt. Dutch hat nie für die Indians gespielt.« Ich beiße in meine Waffel, ohne den Blick von ihm abzuwenden. Ihm klappt die Kinnlade herunter, und seine Augen funkeln, als würde er mir gleich eine reinhauen. Plötzlich verzieht er das Gesicht und atmet heftig aus, als ein scharfer Schmerz durch seinen Bauch zuckt. Ich habe vergessen, was er gerade durchmacht.
»Alles in Ordnung?«, frage ich.
»Mir geht’s gut.«
»Du siehst aber nicht so aus.«
»Das wird schon wieder. Ich habe vor, morgen Golf zu spielen.«
Ich bin froh, dass er das Thema wechselt. Wir reden einige Minuten über Golf, und die Stimmung verbessert sich erheblich. Dann wird sie wieder schlechter, denn plötzlich fällt mir ein, dass er mit sechs Jahren anfing Golf zu spielen, dass er mit sechzehn die Maryland Open gewann und dass er mit mir noch nie eine Runde gespielt hat. Ich verstehe die Sache mit der DNS und so, aber der Mann, der mir gegenübersitzt, ist nur mein biologischer Vater. Sonst nichts.
Ich esse den Rest der Waffel und der Wurst und schiebe den Teller weg. »Du warst dabei, mir zu erklären, warum du den Beanball auf Joe geworfen hast. Ich glaube, mit diesem Teil unseres Gesprächs sind wir noch nicht fertig.«
»Wenn du so verdammt klug bist, warum erklärst du es mir dann nicht?«, fährt er mich wütend an.
»Ich weiß es, Warren. Ich weiß es schon lange. Es gibt mehrere Gründe dafür, warum du Joe treffen
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