Homeland: Carries Jagd: Thriller (German Edition)
groß. »Das sagen wir zwar immer so dahin«, fuhr Fatima achselzuckend fort, »nur klang es diesmal anders. Ich kann es nicht erklären – jedenfalls hat es mir Angst gemacht, und ich würde dir gerne mehr sagen. Ich fürchte, es wird etwas sehr Schlimmes passieren.«
»Du hast mir sehr geholfen. Wirklich. Alles okay?«
»Nein.« Sie blickte sich um. »Ich muss gehen. Jemand könnte uns sehen.«
»Ich weiß. Shukran .« Danke. Carrie drückte ihr die Hand. »Ich muss ebenfalls los. Pass auf dich auf.«
»Carrie«, sagte Fatima. »Du bist meine einzige Freundin. Vergiss mich nicht. Sonst bin ich wirklich verloren.«
Draußen ertönte eine Hupe. Virgil. Carrie nahm Fatimas Hand und hob sie an ihre Wange. »Ich komme wieder.«
KAPITEL 3
Langley, Virginia
Nach vier Jahren in Beirut plus ihrer Zeit im Irak fühlte es sich eigenartig an, den von Bäumen gesäumten George Washington Memorial Parkway entlangzufahren und wie jemand, der je den Tag hier arbeitete, dem Wärter beim Tor die Dienstmarke zu zeigen. Als sie das George Bush Headquarters Building betrat, staunte sie, wie viele Leute sie hier nicht kannte. Im Aufzug beachtete sie niemand. In Rock, Bluse und Blazer und für das Büro geschminkt, fühlte sie sich irgendwie verkleidet.
Eigentlich gehöre ich nicht hierher . Ich habe mich hier noch nie zu Hause gefühlt .
Sie hatte die ganze Nacht nicht schlafen können. Sobald sie die Augen schloss, sah sie ihren Vater. Nicht den Frank Mathison von heute, sondern den Mann ihrer Kindheit in Michigan. Als sie sechs war, hatte er seinen Job in der Ford Motor Company verloren. Sie erinnerte sich, wie ihre Mutter in das Zimmer der beiden Töchter kam, um bei ihnen zu schlafen, während ihr Vater die ganze Nacht im Haus auf und ab ging und ständig von einem Wunder sprach, das sich ihm in einem Computercode angekündigt habe.
Als sie die erste Klasse besuchte, fuhr er einmal mitten im Dezember mit ihnen nach New Baltimore an den Lake St. Clair, abseits des weihnachtlich geschmückten Stadtzentrums. Er setzte sich mit ihnen beim Wasserturm ans Ufer und erzählte ihnen von dem Wunder, das sie miterleben würden. Vor Kälte zitternd, blickten sie zwei Tage lang auf den grauen See hinaus. »Wartet nur, es kommt«, sagte ihr Vater immer wieder.
Ihre Mutter hingegen schrie ihn an: »Was soll kommen, Frank? Was ist das große Wunder? Wird vielleicht Jesus quer über die Anchor Bay zu uns spazieren? Wenn ja, dann sag ihm und seinen Engeln, sie sollen ein paar Heizlüfter mitbringen, weil die Kinder und ich nämlich gleich erfrieren.«
»Siehst du den Wasserturm, Emma? Es steht in den Zahlen, verstehst du? Das ganze Universum wird von Zahlen bestimmt. Computer genauso. Alles beruht auf Zahlen. Schau dir den Turm an. Er steht direkt am Wasser.«
»Was haben Zahlen damit zu tun? Wovon redest du überhaupt?«
»Ich hab’s gemessen. Es sind genau siebenunddreißig Meilen von unserer Haustür bis zum Wasserturm. Darum passiert das Wunder hier. Wegen der Zahl siebenunddreißig.«
»Warum ausgerechnet siebenunddreißig Meilen und warum gerade hier?«
»Es ist eine Primzahl, Emma. Ich hab’s im Computercode gesehen. Und Wasser bedeutet Leben. Moses schlug Wasser aus dem Felsen, Christus verwandelte auf der Hochzeit in Kanaan Wasser in Wein. Verstehst du? Darum wird es an diesem Ort passieren.«
»Es ist ein stinknormaler Wasserturm, Frank.«
So ging es weiter, bis sie irgendwann zurück nach Dearborn fuhren. Ihr Vater sprach kein Wort mehr, aber er fuhr, als säße ihm der Teufel im Nacken, und ihre Mutter rief: »Fahr langsamer, Frank! Oder willst du uns alle umbringen?« Mag gie, die ältere der Schwestern, weinte. »Nicht, Daddy! Nicht!« Und als Carrie sich am nächsten Tag für die Schule fertig machte, sagte ihre Mutter: »Erzähl niemandem etwas von deinem Vater, verstanden?«
Erst später wurde ihr klar, dass die Besessenheit ihres Vaters auf sie alle abfärbte. Nachts, wenn ihre Eltern sich mal wieder anschrien, schlich sie trotz Maggies Mahnungen, im Bett zu bleiben, auf Zehenspitzen zur Küche. Dort sah sie verschmierte Wände, und auf dem Boden lagen zwischen Essensresten überall Scherben von zerbrochenen Tellern.
Und ihre Mutter schrie: »Drei Wochen! Sie sagen, du warst seit drei Wochen nicht mehr in der Arbeit, ohne es irgendwem zu sagen! Natürlich haben sie dich gefeuert! Was hast du denn erwartet? Dass sie dich befördern?«
»Ich hatte zu tun. Du wirst schon sehen, Emma. Alles wird gut. Sie werden
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