Homeland: Carries Jagd: Thriller (German Edition)
vielleicht sollte sie eine Tablette nehmen. Aber so sehr sie sich auch zur Ordnung rief, das beklemmende Gefühl ließ sich nicht abschütteln. Nein, das hatte nichts mit der bipolaren Störung zu tun. Sie blickte sich um. Diese Stadt trieb einen in den Wahn sinn. Dabei war sie einst ein Ort wie viele andere im Nahen Osten gewesen.
Obwohl es noch früh am Morgen und die Sonne kaum über den Dächern zu sehen war, spürte sie bereits die Hitze des kom menden Tages. Seltsam, dachte sie, wie willkürlich getroffene Entscheidungen unser Leben für immer verändern können . Sie dachte an ihren Entschluss, in Princeton Nahostwissenschaf ten zu studieren. Nur weil die Ornamente in der islamischen Kunst sie fasziniert hatten. Und nun war sie hier gelandet. Mit ten im Krieg. Auch Romeo kam ihr in den Sinn. Er hatte ihr handfeste Informationen geliefert, und dennoch durfte sie ihm nicht blind trauen.
Carrie ging ins Haus zu der offenen Gefängniszelle, in der Warzer und Virgil die Nacht verbracht hatten, und wenig später saßen sie dort alle zusammen, tranken starken irakischen Tee mit viel Zucker und aßen dazu Kahi, ein Gebäck mit Honig, das ihnen ein einheimischer Polizist gebracht hatte.
»Was jetzt?«, fragte Virgil und scheuchte eine Fliege von seinem Kahi, bevor er abbiss.
»Gibt es schon etwas von den Wanzen in Romeos Haus?«, fragte Carrie.
»Die Frauen haben sich unterhalten. Auf Arabisch.« Er verzog das Gesicht. »Ich brauche dich oder Warzer zum Übersetzen. Romeo ist bislang nicht aufgetaucht.«
»Sehr gut. Dann ist er bei Abu Ubaida.«
»Was ist mit der Information über den Angriff in Bagdad?«, fragte Virgil.
»Wir warten ab, was Langley dazu sagt. Dempsey wird es uns morgen berichten, wenn er zurückkommt.«
»Du und warten?«, lächelte Virgil. »Das sieht dir gar nicht ähnlich. Kriegst du etwa kalte Füße, Carrie?«
»Ich geb’s zu. Die Stadt macht mir eine Scheißangst.«
»Zu Recht«, warf Warzer ein. »Ich habe meine Familie nach Bagdad gebracht. Nicht dass es dort viel sicherer wäre, jedoch besser als hier.«
»Ich muss zugeben, es gefällt mir gar nicht, einfach nur zu warten. Schon gar nicht auf eine Reaktion aus Langley«, räumte sie ein. »Sobald Abu Ubaida seinen geplanten Anschlag durch geführt hat – was spätestens in einer Woche der Fall sein wird –, sind unsere Chancen, ihn und Abu Nazir zu erwischen, bloß noch minimal.«
»Was sollen wir tun?«, fragte Warzer.
Einen Moment lang suchten ihre Augen die Zellenwände ab, als sei dort die Antwort zu finden. Aber da waren nur arabische Graffiti, die sich – abgesehen von gelegentlichen Anrufungen Allahs – erstaunlicherweise kaum von westlichen Schmierereien unterschieden.
»Virgil, du kümmerst dich um die Überwachung von Ro meos Familie. Er wird sicher bald zu Hause auftauchen und ihnen etwas von dem Geld bringen, das er von mir hat. Ich komme gleich vorbei, um dir die Aufzeichnungen zu über setzen.« Er nickte, stand auf und ging mit dem Teeglas in der Hand hinaus in den ersten Stock, wo er seine Ausrüstung aufbewahrte.
»Und ich?«, fragte Warzer.
»Abu Ubaida ist hier in Ramadi. Bestimmt hat die Polizei ihre Spitzel. Hör dich um, ob irgendjemand weiß, wo er sich versteckt.«
Als Warzer sich erheben wollte, hielt sie ihn mit einer Geste auf. Sie druckste herum, wusste nicht recht, wie sie es ausdrü cken sollte. »Glaubst du, diese irakischen Polizisten halten mich für eine Hure?«, fragte sie, verwendete dabei das arabische Wort Sharmuta . »Weißt du, wenn der Tod so nah ist und man viel leicht nicht mehr viel Zeit hat …« Sie zögerte.
Er blickte zur Seite, weil das Thema ihm sichtlich peinlich war, bevor er ihr schließlich in die Augen sah.
»Carrie, du bist eine schöne Frau. Für diese Männer bist du so was wie ein Filmstar aus Hollywood. Absolut unerreichbar. Andererseits ist die Rolle der Frauen bei uns sehr speziell, wie du weißt. Es kann durchaus sein, dass in ihrer Sichtweise ein bisschen was von Sharmuta mitschwingt. Also, ich persönlich kann Captain Dempsey gut leiden. Er hat Mut. Allerdings erzählen sich die Leute so einiges. Sei vorsichtig.«
»Was redet man denn?«
»Es geht um Geld.« Er rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. »Er soll amerikanische Waren auf dem Schwarzmarkt verkaufen: Munition, Kühlschränke, medizinische Güter, alles Mögliche. Für viele Firmen ist dieser Krieg der reinste Gold esel. Blackwater, DynCorp, KBR . Alle werden stinkreich damit, nur nicht das
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