Homers letzter Satz: Die Simpsons und die Mathematik (German Edition)
Paul-Erdős-Phänomen, bei dem man nach Verbindungen zwischen jedem beliebigen Mathematiker und dem Mathematiker Paul Erdős sucht. Mathematiker mit einer engeren Verbindung nehmen dabei einen höheren Rang ein als jene mit weitläufigeren Verbindungen. Aber warum gilt Erdős als das Zentrum der mathematischen Welt?
Weil Erdős der produktivste Mathematiker des 20.Jahrhunderts war. Er veröffentlichte 1525 Fachartikel mit 511 Co-Autoren. Erdős’ exzentrischer Lebensstil ermöglichte diese unglaubliche Leistung. Er reiste von einem Campus zum nächsten, arbeitete alle paar Wochen mit einem anderen Mathematiker zusammen und verfasste jedes Mal einen Fachartikel mit den Kollegen. Sein ganzes Leben lang passten all seine Habseligkeiten in einen einzigen Koffer. Eine gute Voraussetzung für einen Mathematik-Nomaden auf der Suche nach den interessantesten Problemen und fruchtbarsten Zusammenarbeiten. Der Mathematiker Alfréd Rényi sagte einst: »Ein Mathematiker ist eine Maschine, die Kaffee in Theoreme umwandelt.« Erdős lebte nach diesem Prinzip und brachte sein Gehirn mit Kaffee und Amphetaminen auf Touren, um seine mathematische Arbeitsleistung zu maximieren.
In der kleinen Welt von Paul Erdős werden die Verbindungen über gemeinsam verfasste Artikel hergestellt, in der Regel mathematische Forschungsberichte. Wer einen Artikel mit Erdős selbst verfasst hat, hat die Erdős-Zahl 1. Entsprechend haben Mathematiker, die einen Artikel mit jemandem verfasst haben, der mit Erdős veröffentlicht hat, die Erdős-Zahl 2 und so weiter. Auf diese Weise kann eine Verbindung von Erdős zu fast jedem Mathematiker weltweit hergestellt werden, unabhängig vom Forschungsgebiet.
Ein Beispiel: Grace Hopper (1906–1992) entwickelte den ersten Compiler für eine Programmiersprache, legte die Grundlagen für die Entwicklung der Programmiersprache COBOL und sorgte für die Verbreitung der Bezeichnung Bug für einen Computerfehler. Sie hatte im Gehäuse eines Mark-II-Computers an der Harvard University eine Motte gefunden. Hopper arbeitete als Mathematikerin hauptsächlich für die freie Wirtschaft und die United States Navy. »Amazing« Grace Hopper erreichte am Ende den Rang eines Flotillenadmirals. Ein Zerstörer, die USS Hopper, wurde nach ihr benannt. Die eigenwillige, praxis- und technikorientierte, industrielle, militärische Mathematik, die Hopper betrieb, hatte kaum etwas gemein mit Erdős’ puristischer Leidenschaft für Zahlen, dennoch liegt Hoppers Erdős-Zahl nur bei 4. Das liegt an ihrem Doktorvater, Øystein Ore, mit dem sie Artikel veröffentlichte und zu dessen Studenten auch der bekannte Gruppentheoretiker Marshall Hall gehörte. Hall veröffentlichte eine Abhandlung mit dem angesehenen britischen Mathematiker Harold Davenport, der mit Erdős veröffentlichte.
Welche Erdős-Zahl hat nun Jeff Westbrook? Er veröffentlichte seine ersten Fachartikel als Doktorand der Informatik an der Princeton University. Im Jahr 1989 schrieb er an seiner Doktorarbeit mit dem Titel Algorithms and Data Structures for Dynamic Graph Algorithms (auf Deutsch etwa: »Algorithmen und Datenstrukturen für dynamische Graphalgorithmen«) und veröffentlichte Fachartikel mit seinem Doktorvater Robert Tarjan. Tarjan wiederum hat mit Maria Klawe veröffentlicht, die mit Paul Erdős zusammengearbeitet hat. Dadurch ergibt sich für Westbrook eine sehr ansehnliche Erdős-Zahl 3.
Das macht ihn aber nicht automatisch zum Spitzenreiter unter den Simpsons-Autoren. David S. Cohen veröffentlichte einen Fachartikel mit Manuel Blum, der ebenfalls den Turing Award gewonnen hat. Blum wiederum veröffentlichte mit Noga Alon von der Universität Tel Aviv, der mehrmals mit Erdős veröffentlicht hat. Also beträgt Cohens Erdős-Zahl ebenfalls 3.
Um zwischen Cohen und Westbrook einen Sieger zu finden, beschloss ich, als weiteres Erfolgskriterium für die Autoren der Simpsons ihre Verbindung zum Herzen der Unterhaltungsindustrie in Hollywood heranzuziehen. Hierfür bietet sich die Hollywood-Version des Kleine-Welt-Phänomens an: die Kleine Welt von Kevin Bacon. Bei dieser Messmethode werden Menschen nach ihren Hollywood-Verbindungen eingestuft. Dazu muss man die sogenannte Bacon-Zahl der betreffenden Person feststellen, die ihn oder sie über Filme mit Kevin Bacon verbindet. Sylvester Stallone hat zum Beispiel die Bacon-Zahl 2, weil er in Your Studio and You (1995) mit Demi Moore zusammenarbeitete, die in Eine Frage der Ehre (1992) mit Kevin Bacon
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