Homers letzter Satz: Die Simpsons und die Mathematik (German Edition)
und stellten Sabermetriker ein. Vor der Saison von 2003 engagierten die Boston Red Sox Billy James, und ein Jahr später half der Vater von Sabermetrics dem Team, zum ersten Mal seit 86 Jahren die World Series zu gewinnen und den sogenannten Fluch des Bambino (benannt nach dem Spitznamen für Babe Ruth, der die Red Sox zuletzt 1918 zum Titel geführt hatte) zu brechen. Nach und nach stellten auch die Los Angeles Dodgers, die New York Yankees, die New York Mets, die San Diego Padres, die St. Louis Cardinals, die Washington Nationals, die Arizona Diamondbacks und die Cleveland Indians Vollzeit-Sabermetriker ein. Doch ein Baseballteam bewies die Macht der Mathematik beeindruckender als alle anderen: die Springfield Isotots unter der Führung von Lisa Simpson.
Als Lisa in »The Lisa Series« Moe’s Bar 16 mit den Armen voller Mathematikbücher verlässt, ist sie entschlossen, die Isotots mithilfe der Statistik zum Sieg zu führen. Sie beschäftigt sich mit Tabellen, Computersimulationen und detaillierten Analysen und holt so tatsächlich die Isotots aus dem Tabellenkeller der Liga bis auf den zweiten Platz hinter Capital City. Doch als Lisa Bart anweist, in einem Spiel gegen Shelbyville keinen Schlag zu machen, missachtet er ihre Anweisungen … und gewinnt das Spiel. Für Lisa war Barts Homerun aber ein reiner Glückstreffer, aus ihrer Sicht gefährdet eine derartige Insubordination ihre statistische Strategie und die Zukunft des Teams. Sie wirft Bart daraufhin aus dem Team, weil »er glaubt, er sei besser als die Gesetze der Wahrscheinlichkeit.«
Die höchste Trefferquote (On-Base Percentage) hat Nelson Muntz, und Lisa macht ihn daraufhin gemäß der Lehren von Sabermetrics zum neuen Hauptschlagmann, dessen wichtigste Aufgabe darin besteht, eine Base zu erreichen. Offensichtlich teilt Lisa die Meinung des Sabermetrikers Eric Walker, der über die Bedeutung der On-Base Percentage sagte: »Einfach ausgedrückt steht er für die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schlagmann nicht out gemacht wird. Wenn man es so formuliert, wird sofort offensichtlich, dass die On-Base Percentage die wichtigste einzelne (eindimensionale) Offensivstatistik ist. Sie misst die Wahrscheinlichkeit, dass der Einsatz eines Schlagmanns nicht zu einem schnelleren Ende des Innings führt.«
Und tatsächlich, dank Lisas Wissen über die On-Base Percentage setzen die Isotots ihre Siegesserie fort. Ein Kommentator erklärt ihren Erfolg zu einem »Triumph der Datenverarbeitung über den menschlichen Geist«.
Die Isotots schaffen es bis zur Staatsmeisterschaft der Jugendmannschaften, wo sie auf die Mannschaft von Capital City treffen. Unglücklicherweise hat sich einer von Lisas Spielern, Ralph Wiggum, mit Saft betrunken, und sie muss Bart bitten, in die Mannschaft zurückzukehren. Bart zögert, bevor er ihrer Bitte nachkommt, weil er weiß, dass ihn das vor ein Dilemma stellen wird:
Folgt er seinem Instinkt oder Lisas auf Mathematik basierender Taktik? Als Capital City im neunten und letzten Inning mit 11-10 in Führung liegt, widersetzt sich Bart Lisa erneut. Doch dieses Mal geht er out, und die Isotots verlieren, weil Bart nicht dem Evangelium der Sabermetrics gefolgt ist.
Am Ende der Episode versöhnen sich Lisa und Bart zwar, aber die Geschwister haben offensichtlich zwei völlig unterschiedliche Weltanschauungen. Für Lisa muss Baseball vor allem analysiert und verstanden werden, wohingegen es für Bart bei dem Sport um Instinkt und Emotionen geht. Diese beiden Sichtweisen spiegeln eine größere Diskussion über die Bedeutung von Mathematik und Naturwissenschaft wider. Zerstört die Analyse die inhärente Schönheit der Welt um uns herum, oder macht sie die Welt sogar noch schöner? In vielerlei Hinsicht entspricht Barts Einstellung den Ansichten des englischen romantischen Dichters John Keats:
Denn flieht nicht aller Zauber vor den Tücken
Nüchterner Denkungsart? Da war einmal
Ein Regenbogen hehr am Himmelssaal:
Jetzt kennt man sein Gewebe, seinen Bau,
Die Wissenschaft erklärte ihn genau
Und rubrizierte ihn wie andre Dinge.
Philosophie wirft ihre kecke Schlinge
Um Engelsschwingen und um Zauberpracht
In Luft und Bergesschoß und Meeresnacht,
Zerreißt die Wunder, wie sie auch erzwang
Der zarten Lamia Not und Untergang. 17
Diese Zeilen stammen aus dem Gedicht »Lamia«, das nach einem Kinder fressenden Dämon aus der griechischen Mythologie benannt ist. Im 19.Jahrhundert, als John Keats das Gedicht schrieb, umfasste das Wort Philosophie auch
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