Homers letzter Satz: Die Simpsons und die Mathematik (German Edition)
Berechnungen über Baseball durchführen, etwa um die Frage zu klären, ob das Phänomen der Clutch Hitters wirklich existierte. Ein Clutch Hitter ist ein Spieler, der besondere Leistungen zeigt, wenn seine Mannschaft unter starken Druck gerät. Ein Clutch Hitter erzielt wichtige Punkte, wenn seine Mannschaft ein Spiel eigentlich schon verloren hat, vor allem bei wichtigen Spielen. Kommentatoren und Experten sind sich seit Jahrzehnten sicher, dass es solche Spieler gibt, aber Cramer wollte es genau wissen: Gibt es Clutch Hitters tatsächlich, oder sind sie nur das Ergebnis selektiver Erinnerungen?
Cramers Methode war einfach, elegant und rein mathematisch. Er verglich die Leistungen der Spieler in gewöhnlichen Spielen und in kritischen Situationen während einer Spielzeit – Cramer entschied sich für das Jahr 1969. Einige wenige Spieler zeigten in entscheidenden Momenten besondere Leistungen, doch war die Ursache hierfür eine angeborene Superkraft oder einfach Zufall? In der zweiten Analysephase führte Cramer dieselben Berechnungen für die Spielzeit des Jahres 1970 durch. Wenn Clutch Hitters ein natürliches Talent besaßen, dann mussten die Clutch Hitters von 1969 auch im Jahr 1970 noch Clutch Hitters sein. Wenn die außergewöhnlichen Leistungen aber nur Zufall waren, dann mussten 1970 andere vom Glück verwöhnte Spieler Clutch Hitters gewesen sein als im Jahr 1969. Cramers Berechnungen ergaben keinen signifikanten Zusammenhang zwischen den Clutch Hitters in zwei aufeinander folgenden Spielzeiten. Die Clutch Hitters in einer Spielzeit zeigten also in der nächsten Spielzeit nicht mehr dieselben Leistungen. Sie hatten keine besonderen Fähigkeiten, sondern einfach nur Glück.
In seinem Baseball Abstract aus dem Jahr 1984 zeigt sich James wenig überrascht von dieser Erkenntnis: »Wie kann ein Spieler mit den Reflexen, dem Schlag, dem Wissen und der Erfahrung eines Schlagmanns mit einem Batting Average von .262 unter normalen Umständen auf magische Weise zu einem Schlagmann mit einem Batting Average von .300 werden, wenn es um eine Spielentscheidung geht? Wie kommt es dazu? Wie geht das vor sich? Und wie wirkt sich das aus? Erst wenn es Antworten auf diese Fragen gibt, hat es einen Sinn, von einem angeborenen Talent zu sprechen.«
Derek Jeter, dem seine Leistungen als Schlagmann für die New York Yankees den Spitznamen »Captain Clutch« einbrachten, ist ganz anderer Meinung als die Statistiker. In einem Interview mit der Zeitschrift Sports Illustrated sagte er: »Diese Statistik-Typen kann man in die Tonne treten.« Leider bestätigen Jeters eigene Zahlen James’ Schlussfolgerung. In 13 Spielzeiten lagen Jeters Werte in normalen Spielen bei .317/.388/.464. In wichtigen Entscheidungsspielen waren seine Werte mit .309/.377/.469 ein wenig schlechter. 15
Natürlich brauchen alle neuen mathematischen Disziplinen einen Namen, und so wurde die empirische, objektive und analytische Herangehensweise an Baseball als Sabermetrics bekannt. Bill James prägte diesen Begriff, der von SABR hergeleitet ist, dem Akronym für die Society for American Baseball Research, einer Organisation, die Forschungen zu allen Aspekten von Baseball fördert, etwa die Geschichte des Sports, die Beziehungen von Baseball zur Kunst oder Frauen im Baseball. Zwei Jahrzehnte lang wurden James und die wachsende Zahl seiner Sabermetrics-Kollegen vom etablierten Baseball ignoriert oder sogar verspottet. Doch eines Tages wagte eine Mannschaft, Sabermetrics kompromisslos einzusetzen, und bestätigte so, dass die Methode das Geheimnis des Erfolges im Baseball enthielt.
Im Jahr 1995 kauften die Bauunternehmer Steve Schott und Ken Hofmann das Baseball-Team Oakland Athletics und kündigten von Anfang an Budgetkürzungen für das Team an. Als Billy Beane im Jahr 1997 sein Amt als Geschäftsführer antrat, waren die Athletics bekannt als das Team mit dem niedrigsten Budget. Beane musste ohne Geld auskommen, und ihm wurde schnell klar, dass Statistik seine einzige Chance war, um genügend Spiele zu gewinnen. Er wollte seine reicheren Rivalen mithilfe von Mathematik austricksen.
Beane war ein Anhänger von Bill James und bewies sein Vertrauen in die Statistik, indem er den von Statistik besessenen Harvard-Absolventen und Wirtschaftswissenschaftler Paul DePodesta als Assistenten einstellte. DePodesta stellte weitere Statistik-Fans ein, Ken Mauriello und Jack Armbruster, zwei Finanzanalysten, die die Wall Street verlassen und eine Firma für
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