Homers letzter Satz: Die Simpsons und die Mathematik (German Edition)
irgendwelche Fragen stellen können, hören sie den Schaffner näher kommen. Dieses Mal drängen sich die Biologen in die Zugtoilette. Ein Statistiker folgt ihnen heimlich, klopft an die Tür und ruft: »Fahrscheine, bitte!« Die Biologen schieben ihren Fahrschein unter der Tür durch. Der Statistiker nimmt den Fahrschein, rennt mit seinen Kollegen zu einer anderen Toilette und wartet dort auf den echten Schaffner. Die Moral von der Geschichte ist einfach: »Man sollte nie ein statistisches Verfahren anwenden, das man nicht versteht.«
– ANONYM
Die Fortsetzung, der 1978 Baseball Abstract, enthielt 40000 Statistiken und verkaufte sich mit 250 Exemplaren noch besser. In seinem 1979 Baseball Abstract erklärte James, warum er all diese Statistiken veröffentlichte: »Ich bin ein Zahlenmechaniker, der an den Aufzeichnungen von Baseball-Spielen herumbastelt, um herauszufinden, wie die Mechanik des offensiven Baseball funktioniert. Ein Mechaniker fängt nicht mit einem Universalschraubenschlüssel an, und ich beginne nicht mit Zahlen. Für mich steht am Anfang das Spiel, was ich dort sehe, und was die Leute darüber sagen. Und ich stelle Fragen: Stimmt das so? Ist es überprüfbar? Ist es messbar?«
Mit jedem Jahr wuchs die Leserschaft von James’ Baseball Abstracts, weil gleichgesinnte Zahlenjongleure in ihm ihren Guru sahen. Der Schriftsteller und Journalist Norman Mailer wurde beispielsweise ein großer Fan, wie auch der Baseball-Fan und Schauspieler David Lander, der in der TV-Serie Laverne & Shirley den Squiggy spielte. Einer von James’ jüngsten Fans war Tim Long, der später zum Autorenteam der Simpsons stieß, das Skript für »The Lisa Series« schrieb und eins von James’ Büchern neben Lisa Simpson platzierte.
Long erinnert sich an James als einen Helden seiner Teenagerzeit: »Ich liebte Analysis in der Highschool, und Baseball verband meinen Vater und mich. Damals wurde Baseball rein nach überlieferten Volksweisheiten gespielt. Mir gefiel die Vorstellung, dass da ein Typ mit einem Haufen Zahlen einen Großteil dieser Volksweisheiten widerlegte. Mit vierzehn war ich ein großer Fan von Bill James.«
Zu James’ begeisterten Anhängern gehörten Mathematiker und Programmierer, die seine Entdeckungen nicht nur aufsogen, sondern auch ihre eigenen Erkenntnisse gewannen. Pete Palmer war ein Programmierer und Anlagentechniker in der Radarstation auf den Aleuten, der die Russen überwachte. Er war die Hightech-Version eines Nachtwächters in einer Dosenfabrik, und wie James brütete er nachts bei der Arbeit über Baseball-Statistiken. Das Thema hatte ihn seit seiner Kindheit fasziniert. Damals hatte er wie besessen Baseballergebnisse auf der Schreibmaschine seiner Mutter zusammengetippt. Er entwickelte eine bedeutende Statistik, die On-Base plus Slugging Percentage (OPS), die zwei der wichtigsten Fähigkeiten eines Schlagmanns miteinander verknüpft: Die Fähigkeit, einen Homerun zu schlagen, und die weniger glamouröse Fähigkeit, eine Base zu erreichen.
Die ausführliche Formel, nach der die OPS berechnet wird, gibt einen Eindruck davon, wie Palmer mithilfe der Mathematik Schlagmänner beurteilt. Der erste Bestandteil der OPS ist die Slugging Percentage (SLG), welche die Gesamtzahl der Bases angibt, die ein Spieler erreicht hat, geteilt durch die Anzahl der Schlagdurchgänge. Der zweite Bestandteil ist die On-Base Percentage (OBP). Sie wird später noch einmal auftauchen, weil Lisa Simpson sich bei der Auswahl ihres Teams in »The Lisa Series« auf die OBP bezieht.
Die Formel für die On-Base plus Slugging Percentage (OPS) wurde durch das Buch The Hidden Game of Baseball bekannt, das Pete Palmer und der Baseball-Historiker John Thorn gemeinsam veröffentlichten. Wer sich nicht dafür interessiert, kann das folgende Minenfeld aus Mathematik und Baseball-Fachjargon gerne überspringen.
OPS = SLG + OBP
Daher gilt:
OPS = On-Base plus Slugging
OBP = On-Base Percentage
SLG = Slugging Percentage
H = Hits
BB = Base on Balls (Walks)
HBP = Anzahl der Hits pro Pitch
AB = At-Bats
SF = Sacrifice Flies
TB = Gesamtzahl der Bases (Total Bases)
Auch Richard Cramer war, wie Palmer und James, ein Hobby-Statistiker, der Baseball aus Sicht eines Mathematikers untersuchte. Cramer arbeitete in der Forschungsabteilung des Pharmaunternehmens SmithKline und hatte dadurch Zugriff auf leistungsstarke Computer, die normalerweise für die Entwicklung neuer Medikamente genutzt wurden. Doch nachts ließ Cramer die Computer
Weitere Kostenlose Bücher