Homicide
erklärte sich Wahls einverstanden.
Der Fall Karen Smith war also eher durch einen glücklichen Zufall als durch Hartnäckigkeit gelöst worden, ein Umstand, der Tom Pellegrini nicht weiter erstaunte. Während er zum x-ten Mal den Mord an Latonya Wallace durchspielte wie eine Tonschleife, steckte James bis über beide Ohren in den Einzelheiten des Taximords. Und was kam dabei heraus? In den ersten kostbaren Tagen nach der Tat kann ein Fall oft noch durch Schweiß und Kombinationsgabe aufgeklärt werden, doch später dann – wer weiß? Manchmal reicht ein abendlicher Anruf, um einen Fall zu lösen. Manchmal auch, dass man eine Verbindung zu einem anderen Verbrechen entdeckt – etwa durch einen ballistischen Vergleich oder die Übereinstimmung von Fingerabdrücken. Doch wenn ein Fall nach einem Monat nicht gelöst ist, bleibt er nicht selten für immer offen. Von den sechs Frauenmorden, die zur Einrichtung der Northwestern-Sonderkommission geführt hatten, endete außer dem Mord an Karen Smith nur noch ein weiterer mit einer Festnahme, und ihr Fall war der einzige, der vor Gericht kam. Die zur Verstärkung herangezogenen Officers für die restlichen fünf Fälle kehrten Ende März in ihre Dienststellen zurück, und die Akten standen wieder im Schrank – vielleicht ein wenig dicker als zuvor, aber trotz der vielen Bemühungen kein bisschen aussagekräftiger.
Pellegrini aber fehlt die Zeit, um aus den Northwest-Fällen irgendwelche Lehren zu ziehen. Während Dennis Wahls sein Geständnis ablegt, nimmt er Meldungen über Schießereien entgegen und liest noch einmal die Berichte in Latonya Wallaces Akte durch. Als man Wahls ins Morddezernat bringt und den Haftbefehl für Clinton Butler ausstellt, ist er bei einem Einsatz. Und er ist schon längst zu Hause, als EddieBrown, glühend vor Siegesfreude, in den frühen Morgenstunden den beschlagnahmten Schmuck ins Labor sendet und dann in die Runde fragt, wer die Gelegenheit nutzen möchte, Dennis Wahls von seiner Festnahme wegen Mord zu informieren.
»He!«, sagt Brown, der an der Tür des Vernehmungsraums lehnt. »Einer von euch muss rein und dem Trottel erklären, dass er hierbleiben wird. Er fragt noch immer, wer ihn nach Hause fährt.«
»Das mach ich.« McCarter grinst.
»Dann mal los.«
McCarter marschiert in den großen Vernehmungsraum und schließt die Tür. Durch das Maschendrahtfenster können sie das Geschehen verfolgen wie in einem Stummfilm. McCarter stützt die Hände in die Hüften und bewegt die Lippen. Wahls schüttelt den Kopf, weint, bettelt, fleht. McCarter winkt ab, dann greift er nach der Klinke und wendet sich grinsend wieder zum Flur.
»Blöder Wichser«, sagt er, als er die Tür schließt.
Dienstag, 5. April
Zwei Monate nach dem Mord an Latonya Wallace ist nur noch Tom Pellegrini damit befasst.
Harry Edgerton, der zweite Ermittler, assistiert Bertina Silver bei der Vernehmung ihres Hauptverdächtigen im Mord an Brenda Thompson, die im Januar erstochen in einem Auto auf dem Garrison Boulevard gefunden worden war. Eddie Brown hatte zunächst bis zum Hals in der Arbeit am Taximord gesteckt und widmet sich jetzt neuen Fällen. Auch Jay Landsman, der sich ebenso wie alle anderen um den Wallace-Fall gekümmert hatte, ist nicht mehr dabei. Das war auch nicht anders zu erwarten gewesen – Landsman muss ein Team leiten und mit seinen Detectives in den nächsten drei Nachtschichtwochen eine Flut neuer Morde bearbeiten.
Auch die Männer von der Bereitschaftspolizei und die, die von anderen District-Commanders wegen des Tods eines Mädchens ans Morddezernat ausgeliehen worden waren, sind zu ihren Dienststellen zurückgekehrt. Zuerst wurden die Bereitschaftspolizisten nach Hause geschickt, dann die Detectives vom Dezernat für Jugendkriminalität,dann die Leute vom Central District und schließlich die beiden Zivilen, die Leihgabe vom Southern District. Langsam und unerbittlich wurden die Ermittlungen im Fall Latonya Wallace zur Domäne eines einzigen Detective.
Wie gestrandet sitzt Pellegrini an seinem Schreibtisch im Büro im Anbau vor drei Pappkartons mit Protokollen, Fotos, Laborberichten und Zeugenaussagen. Hinter seinem Schreibtisch steht die Pinnwand, die sie in der Sonderkommission eingerichtet, aus Zeitgründen aber nie aufgehängt haben. In der Mitte ist das beste und jüngste Foto des Mädchens befestigt, links daneben Edgertons Skizze der Newington Avenue aus der Vogelperspektive und rechts eine Karte von Reservoir Hill und die aus einem
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