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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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Frazier, so ist es.«
    Vincent ist beteiligt gewesen, so viel steht fest. Aber er hat nicht geschossen – nicht auf Lena, nicht auf seinen Vater. Und am Ende ist es doch viel besser, ihn als Zeugen zu haben, als ihn anzuklagen, sodass Frazier ihn vor den Geschworenen für seine Zwecke missbrauchen kann. Garvey wüsste nicht, warum er Fraziers Anwalt einen weiteren Verdächtigen liefern sollte, ein lebendes, atmendes Wesen, das Anlass zu Zweifeln bietet. Nein, denkt Garvey, ausnahmsweise haben sie im Verhörraum einmal die Wahrheit gesagt: Du kannst Zeuge sein oder Angeklagter, Vincent. Entweder oder.
    Vincent Booker hat kapituliert – zumindest hat er so viel gestanden, wie seine Angst zuließ – und dafür durfte er nach Hause gehen. Robert Frazier dagegen hat gelogen, was das Zeug hielt, und wird dafür ins Gefängnis des Western District wandern. Garvey findet das alles irgendwie gerecht.
    An der Pforte des Western wird der Inhalt von Fraziers Taschen auf der Theke ausgelegt und von einem Gefängnisbeamten in ein Buch eingetragen. Dabei kommt ein dickes Bündel Geld zum Vorschein.
    »Mein Gott«, sagte der diensthabende Sergeant, »das sind über fünfzehnhundert Dollar.«
    »Kein schlechtes Geschäft«, meint Garvey. »So viel verdiene ich in einer Woche.«
    Kincaid wirft Garvey einen Blick zu. Es müssten schon der Gouverneur, der Bürgermeister und die Hälfte der englischen Königsfamilie auf der Herrentoilette der Busstation in der Fayette Street totgeprügelt werden, damit ein Detective in Baltimore so viel Geld bekommt. Der Sergeant hinter dem Schalter hat’s kapiert.
    »Ja«, sagt er so laut zu Garvey, dass Frazier es hören kann. »Und sie mussten für ihr Gehalt ja auch keinen Stoff verkaufen, oder?«
    Garvey nickt.
    »Officer Garvey …«
    »He!, Donald«, sagt Garvey zu Kincaid. »Wie wär’s, wenn ich dir ein Bier spendiere?«
    »Officer Garvey …«
    »Heute würde ich eins trinken«, erwidert Kincaid. »Ich nehm dich beim Wort.«
    »Officer Garvey, ich habe Sie nicht belogen.«
    Garvey dreht sich um, aber der Gefängniswärter führt Frazier bereits zur hintersten Zelle des Western-Gefängnisses.
    »Officer Garvey, ich habe nicht gelogen.«
    Garvey sieht seinem Verdächtigen teilnahmslos nach. »Bis bald, Frazier. Man sieht sich.«
    Einen kurzen Augenblick steht Frazier in der Zellentür und wartet, während der Wärter eine Karte für die Fingerabdrücke vorbereitet. Garvey hört auf, mit den Dokumenten auf der Theke herumzuspielen, und geht zur Hintertür des Gefängnisses. Er geht an der Zelle vorbei, ohne einen Blick hineinzuwerfen, und so sieht er nicht den letzten unmissverständlichen Gesichtsausdruck von Robert Frazier.
    Reiner, mörderischer Hass.

FÜNF
    Samstag, 2. April
    D as Gebet eines Detective: Gesegnet seien die wahrhaft Dummen, denn sie geben Hoffnung denen, die gegen sie ermitteln. Gesegnet seien die Schwachsinnigen, denn durch ihre Dummheit werfen sie Licht auf jene, die sich in der Dunkelheit abarbeiten. Gesegnet sei unser Dennis Wahls, denn ohne es zu wissen, gewährt er Mithilfe in einem ein Monat alten Fall und trägt dazu bei, dass wir ihn für den vor einem Monat begangenen Mord an Karen Renee Smith, der in Northwest-Baltimore erschlagenen Taxifahrerin, hinter Schloss und Riegel bringen können.
    »Ist es das Haus hier?«, fragt Eddie Brown.
    »Ne, das daneben.«
    Als Brown nickt, versucht Wahls, die hintere Tür des Cavalier zu öffnen. Doch der Detective, der neben ihm sitzt, beugt sich über ihn und zieht die Tür wieder zu. Harris, einer der zur Verstärkung in den Northwestern District abgestellten Officers, steigt aus seinem Wagen und stellt sich neben Browns Fenster.
    »Wir warten hier«, sagt Brown. »Sie und Sergeant Nolan gehen rein und versuchen, ihn zum Rauskommen zu bewegen.«
    Harris nickt, dann geht er mit Roger Nolan zum Eingang des roten Backsteingebäudes. Die Adresse in der Madison Avenue gehört zu einer städtischen Wohngruppe für jugendliche Straftäter, was in Baltimore von bewaffnetem Raub bis zu Totschlag alles bedeuten kann. Und in diesem Haus befindet sich der jüngere Bruder von Dennis Wahls, am Handgelenk die Armbanduhr, die einst Karen Smith gehörte.
    »Woher wissen Sie, dass er die Uhr noch hat?«, fragt Brown, der dem Officer und Nolan auf ihrem Weg zu den Eingangsstufen nachschaut.
    »Weil ich sie gestern noch an ihm gesehen habe.«
    Dem Himmel sei Dank, denkt Brown. Dem Himmel sei Dank, dass sie so dumm sind. Wenn sie schlau wären,

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