Homicide
wenn sie die Freveltat eines Mords geheim hielten, wenn sie mit niemandem darüber sprächen,wenn sie Kleidung und Waffe und die dem Opfer abgenommenen Besitztümer verschwinden ließen, wenn sie vor dem Mist, den wir ihnen im Vernehmungsraum auftischen, die Ohren verschlössen – was könnte ein Detective dann noch tun?
»Das Ganze macht mir Kopfschmerzen?«, sagt Wahls.
Brown nickt.
»Jemand muss mich nach Hause fahren, wenn wir hier fertig sind.« Nach Hause fahren! Glaubt der Junge tatsächlich, er kann heimgehen und das Ganze ausschlafen wie einen Rausch? O. B. McCarter, ein anderer Officer aus dem Southwest, der am Steuer sitzt, beißt sich auf die Zunge, um nicht laut loszulachen.
»Meinen Sie, Sie können mich nach Hause fahren?«
»Sehen wir mal, was passiert.«
Was passiert, ist Folgendes: Dennis Wahls’ jüngerer Bruder, ein vierzehnjähriger Bengel mit doppelt so viel Grips wie der Ältere, tritt vor die Tür und kommt in Begleitung der beiden Polizisten zum Cavalier. Er späht ins Auto, sieht seinen Bruder, mustert Eddie Brown und versteht, was abläuft. Er nickt.
»He!«, sagt Dennis Wahls.
»He!«, sagt sein Bruder.
»Ich hab’ ihnen von der Armbanduhr erzählt.«
»Von welcher Uhr?«
»Hör mal«, fährt Brown dazwischen. »Wenn du nicht auf deinen Bruder hörst, kriegen wir dich am Arsch.«
»He!, Mann«, sagt Dennis Wahls. »Es hat keinen Sinn. Sie lassen mich gehen, wenn du sie rausrückst. Wenn nicht, werde ich wegen Mord festgenommen.«
»Aha.« Offenbar fragt sich der Junge, wie das sein kann. Wenn sie das Beweisstück nicht bekommen, wirst du festgenommen, und wenn sie das Beweisstück kriegen, lassen sie dich frei? Ja, logisch!
»Also, was ist?«, fragt Roger Nolan, der neben dem Auto steht. Der Junge wirft seinem Bruder einen Blick zu. Als Dennis Wahls nickt, rennt er ins Backsteinhaus und ist drei Minuten später mit einer Damenuhr an einem schwarzen Lederarmband wieder da. Er macht Anstalten, sie seinem Bruder zu geben, doch Brown streckt rasch die Hand danach aus. Der Junge tritt einen Schritt zurück.
»Bis bald, Kleiner«, sagt Dennis Wahls.
Der Junge nickt noch einmal.
Sie fahren weiter nach Reservoir Hill, wo die beiden Wagen in der Lennox Avenue in eine Einfahrt biegen. Wieder bleiben Brown und Wahls im Auto sitzen, während Detective Nolan Wahls’ junger Freundin, die Karen Smiths Goldkette geschenkt bekommen hat, einen Besuch abstattet.
McCarter spielt auf dem Fahrersitz am Radio herum, während Eddie Brown von seinem Platz neben Wahls zusieht, wie Nolan auf die Mutter des Mädchens einredet. Wenn Nolan erst einmal so richtig in Fahrt gekommen ist, kann er quatschen, bis einem die Ohren abfallen.
»Mach schon, Roger«, murmelt Brown. »Verdammt, was machst du?«
Kurz darauf kehrt das Mädchen mit dem Schmuckstück zurück. Als sie über den Vorplatz auf Nolan zugeht, winkt sie Wahls auf dem Rücksitz nervös zu.
»Mann, ich wünschte, sie würde mich nicht so sehen.«
Der Detective grunzt.
»Ihre Mum ist jetzt bestimmt sauer auf mich.«
McCarter drückt auf die Knöpfe des Radios, bis er einen knisternden und rauschenden Mittelwellensender gefunden hat. Es läuft gerade ein Rocksong, ein zwölf Jahre alter Hit der Bobby Fuller Four. Der Officer hört einen Moment lang schweigend zu, aber plötzlich kann er sich nicht mehr beherrschen. Es fällt ihm schwer, nicht zu laut loszuprusten.
»O Mann«, sagt McCarter.
»Breakin’ rocks in the hot sun
…«
Er schnipst mit den Fingern und gibt Brown und Harris draußen vor dem Wagen ein Zeichen.
»…
I fought the law and the law won.«
Brown wirft Wahls einen verstohlenen Blick zu, doch der Junge kriegt nichts mit.
»Robbin’ people with a six-gun
…«
McCarter trommelt den Takt auf dem Lenkrad mit.
»…
I fought the law and the law won.«
»Nicht zu glauben«, sagt McCarter.
»Was?«, fragt Wahls.
McCarter schüttelt den Kopf. An einem Abend, an dem Dennis Wahls einen funktionierenden Verstand nötiger gehabt hätte als je zuvor, sitzt er stumm da wie ein Idiot. Selbst wenn ihm das Radio sein eigenes Geständnis vorspielte, bekäme er es nicht mit.
Das soll nicht heißen, dass der neunzehnjährige Dennis Wahls aus einer ausgeprägten Intelligenz schöpfen könnte. Zuerst hat er sich von einem anderen Hirntoten für ein paar Dollars und Schmuckstücke in den Mord an einer Taxifahrerin hineinziehen, und dann hat er sich mit dem Schmuck abspeisen lassen, während sein Kumpel die Dollars einsteckte.
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