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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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Anschließend hat er den Schmuck verschenkt und damit angegeben, er sei dabei gewesen, als man die Frau in den Wald gezerrt und zu Tode geprügelt habe. Er hat sie nicht umgebracht, o nein, Sir. Er hat nur zugesehen.
    Die ersten, die seine Prahlerei mitbekamen, glaubten ihm kein Wort, wenn es ihnen nicht sogar egal war. Doch irgendwann wollte Wahls mit der Geschichte einem jungen Ding imponieren. Sie erzählte es in der Schule einer Freundin, die es anderen berichtete, bis irgendwer beschloss, das Ganze zu melden. Und als im Morddezernat die Leitung 2100 aufleuchtete, war Rick James zur Stelle, um das Gespräch anzunehmen.
    »Es gibt nur eins, was ich bei diesem Fall richtig gemacht habe«, erklärte James, der leitende Ermittler im Smith-Mord, später. »Ich habe den Hörer abgenommen.«
    Tatsächlich aber hatte er viel mehr getan. Mit Hilfe der zur Verstärkung geschickten Beamten war James jedem Hinweis nachgegangen, hatte wieder und wieder die Aussagen von Smiths Kollegen, Freunden und Angehörigen überprüft. Er hatte tagelang die Fahrtenbücher des Taxiunternehmens durchgesehen und nach auffälligen Fahrtkosten und – zielen gesucht. Er hatte stundenlang am Schreibtisch gesessen und sich die Bänder mit den Funkaufträgen der Taxizentrale angehört, um zu erfahren, wohin Karen Smith gefahren war, ehe sie in den Wäldern von Northwest-Baltimore verschwand. Er hatte sämtliche Akten von Raubüberfällen oder Angriffen auf Taxifahrer aus Baltimore und dem County durchgelesen und außerdem zu allen Raubüberfällen am nordwestlichen Stadtrand. Als er erfuhr, dass der Freund des Opfers regelmäßig Kokain schnupfte, nahm er ihn in einer Reihe von Vernehmungen hartran. Er überprüfte sein Alibi und befragte alle Bekannten des Freundes. Schließlich holten sie den Mann ins Präsidium und knöpften ihn sich noch einmal vor: Es stand nicht so gut zwischen Ihnen und der Toten, nicht wahr? Sie hat recht gut verdient, oder? Und Sie haben das Geld ausgegeben.
    Selbst Donald Worden, der die jüngeren Detectives sonst mit kritischem Auge beobachtete, fand den Eifer seines Partners beeindruckend.
    »James begreift allmählich«, sagte er, aus der Ferne über den Fall wachend, »was es bedeutet, Detective zu sein.«
    James hatte alles Erdenkliche getan, doch als dann das Telefon klingelte, war der Name Dennis Wahls in den zwei Aktenordnern zum Taximord noch nicht aufgetaucht. Das Gleiche galt für Clinton Butler, den zweiundzwanzigjährigen Kerl, der den Überfall ausgeheckt und den tödlichen Schlag ausgeführt hatte. Eine Wendung wie diese war nichts Ungewöhnliches, und es gab nichts, was ein Detective daraus lernen konnte. Sie entsprach lediglich der Regel Fünf im Lexikon des Detective, die da lautet:
    Gut, wenn man gut ist, aber besser, man hat Glück.
    James war eigentlich gerade auf dem Weg zum Flughafen, um mit einer Morgenmaschine in einen einwöchigen Urlaub zu fliegen, als die Detectives Dennis Wahls aufspürten und ins Präsidium brachten. In der kaum mehr als einstündigen Vernehmung gestand er den Mord, nachdem ihm Eddie Brown und zwei Kollegen der Sondereinheit den naheliegendsten Ausweg gezeigt hatten. Sie haben die Frau doch gar nicht erschlagen, es war Clinton, erklärten sie ihm. Und Wahls schluckte den Köder. Nein, Sir, ich wollte mich nicht einmal am Raub beteiligen. Das war Clintons Idee, und Clinton habe ihn verspottet, als er sich anfangs weigerte. Außerdem habe er nichts von dem Geld abbekommen; Clinton habe es für sich behalten mit der Begründung, dass er die ganze Arbeit getan hatte, wie er sagte. Wahls blieb nur der Schmuck. Als die Taxifahrerin vor Angst ohnmächtig wurde, hatte Clinton sie aus dem Auto auf den Waldweg gezerrt. Clinton hatte den Ast gefunden, Clinton hatte ihn gedrängt, es zu tun, und ihn dann ausgelacht, als er es nicht tat. Es war also Clinton gewesen, der ihr schließlich den Holzprügel über den Schädel zog.
    Wahls gab letztlich nur zu, dass er, und nicht Clinton, der bewusstlosen Frau die Hosen heruntergezogen und mit ihr Oralsex versucht hatte. Clinton war schwul, erklärte Wahls den Ermittlern. Er stand nicht auf so was.
    Als Wahls seine Aussage abgezeichnet und unterschrieben hatte, fragten die Detectives nach dem Schmuck. Wir glauben Ihnen, sagte Brown, aber wir brauchen ein Zeichen Ihres guten Willens. Einen Beweis, dass Sie die Wahrheit sagen. Und weil er davon ausging, sich mit der Herausgabe von Kette und Armbanduhr der Toten die Freiheit erkaufen zu können,

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