Homicide
steigt ein leichter Gestank auf.
Zehn Minuten nach den anderen erscheint Moulter mit zwei Pack Coors Light. Die Männer machen da weiter, wo sie aufgehört haben, und in der warmen Frühlingsnacht werden sie immer lauter und ungehemmter. Moulter sucht einen UKW-Sender und dreht die Lautstärke höher. Eine Stunde lang unterhalten sie sich bloß mit Geschichten über die Arbeit und Witzen aus den Dienststellen, und McLarney leistet seinen Beitrag in Form von ein paar lustigen Begebenheiten aus dem Morddezernat.
Schon bald tanzen zwei Dutzend leere Bierdosen auf dem Hafenwasser; andere landen an der Metallwand des Lagerhauses.
»Auf was stoßen wir an?«, fragt Biemiller.
»Auf den Western District.«
»Nein. Auf Gene.«
»Auf Gene!«
Sie trinken, und Moulter dreht das Radio noch ein bisschen lauter. Einige Minuten später entdecken sie eine einsame Gestalt, möglicherweise ein Vorarbeiter, in der Nähe des Lagerhaustors. Biemiller sieht ihn zuerst.
»Sarge. Da drüben.«
McLarney schiebt seine Brille hoch. Der Mann steht einfach nur da und sieht zu ihnen hinüber.
»Keine Sorge«, sagt McLarney. »Ich kümmere mich drum.«
Er schnappt sich eine neue Bierdose und geht mit seinem Friedenspfand zum Tor des Lagerhauses. Der Mann stützt sich auf das Geländer einer Metallrampe und starrt ihm mit unverhüllter Verachtung entgegen. McLarney lächelt entschuldigend. »Hallo«, sagt er.
Der Mann spuckt aus. »Habt ihr Arschlöcher nichts Besseres zu tun, als euch hier zu besaufen und dabei einen Riesenradau zu machen? Was denkt ihr euch?«
McLarney schaut erst auf den Boden und dann wieder hoch zu dem Mann. Und entgegnet ihm so leise, dass es kaum zu hören ist: »Ich nehme nicht an, dass Sie runterkommen und es mir noch einmal ins Gesicht sagen wollen.«
Der Mann rührt sich nicht von der Stelle.
»Dacht ich mir’s doch.«
»Scheiße«, sagt er. »Ich rufe die Bullen.«
McLarney schlendert zurück zum Kai, wo ihm die anderen Zecher erwartungsvoll entgegenblicken.
»Was hat er gesagt?«, fragt Moulter.
McLarney zuckt die Achseln. »Wir haben uns geeinigt. Er ruft die Polizei, und wir machen die Fliege.«
»Und wohin?«
»Irgendwo in der Nähe.«
»In die Calverton?«
»In die Calverton.«
Rasch teilen sie das Bier unter sich auf, dann quetschen sie sich in ihre drei Wagen. Als der Vorarbeiter die Motoren hört, läuft er zum Torund liest ihre Nummernschilder. Mit ausgeschalteten Scheinwerfern rasen sie die Clinton Street entlang, auf der Flucht in ihrer eigenen Stadt.
»Vielleicht sollten wir Schluss machen, Terry«, sagt ein jüngerer Officer in McLarneys Auto. »Wenn wir so weitersaufen, kriegen wir womöglich die Innenrevision an den Hals. Scheiße, bei dem, was wir intus haben, werden wir am Ende noch eingesperrt.«
McLarney wirft ihm einen verächtlichen Blick zu. »Niemand wird hier eingesperrt.« Er lenkt den Honda Civic Richtung Westen auf der Boston Street am Hafen entlang. »Wir sind schließlich in Baltimore, verdammt. In dieser Miststadt wird niemand eingesperrt. Warum sollten wir eine andere Behandlung kriegen als normale Verbrecher?«
Er muss selber lachen über diese Logik. Sie passieren den Süden von Little Italy und fahren dann durch die ausgestorbene Innenstadt Richtung Westen. Um diese Zeit gehören die Straßen der Straßenreinigung und den Zeitungsboten, und die Verkehrsampeln sind noch auf blinkendes Gelb geschaltet. Auf der Fayette Street gegenüber vom Omni-Hotel durchwühlt ein einsamer Penner den Inhalt einer Mülltonne.
»Es ist vier, Terry.«
»Ja«, sagt McLarney mit einem Blick auf seine Uhr. »Das kann man nicht leugnen.«
»Verdammt, wo fährst du hin?«
»Dahin, wo sich jeder gesuchte Verbrecher versteckt.«
»Zum Western?«
»Zum Western District. Da finden sie uns nie.«
Um fünf Uhr liegen acht oder neun weitere leere Bierdosen im Rinnstein der Calverton Road. Sie sind inzwischen nur noch zu viert, die anderen haben bei drohender Morgendämmerung das Weite gesucht. Bob Biemiller ist der Einzige von ihnen, der noch im Western arbeitet; McLarney dient im Präsidium im Morddezernat, seit er die Kugel in der Arunha Avenue abbekommen hat; Moulter ist inzwischen zum Streifendienst im Southeastern versetzt worden. Doch jetzt, am Morgen, nachdem ein Geschworenengericht einen Schlussstrich unter den Fall Cassidy gezogen hat, sind sie wieder vereint. Und selbst nachdem sie vom Kai an der Clinton Street vertrieben worden sind, können sie sich nicht
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