Homicide
immer staunt.
»Ich habe nicht aufgegeben. Und dann war da noch diese Frau aus der hinteren Reihe, die ebenfalls ihre Meinung nicht ändern wollte. Sie war auch von Anfang an für vorsätzlichen Mord. Nach einiger Zeit wollten sie wohl alle nur noch heimgehen, glaube ich.«
McLarney schüttelt ungläubig den Kopf. Er ist lange genug Cop, um zu wissen, dass die Beschlussfassung von Geschworenen häufig nicht nachvollziehbar ist, doch dies geht über seinen Horizont. Der Mann, der versucht hat, Gene Cassidy umzubringen, hat das richtige Urteil aus den falschen Gründen bekommen.
Das Mädchen scheint seine Gedanken zu lesen. »Eins können Sie mir glauben«, sagt sie, »wenn unsere ganze Justiz so läuft, dann kann sie mir gestohlen bleiben.«
Das Bier zwei Stunden später in der Market Bar tut McLarney gut, und er bittet das Mädchen, ihm die ganze elende Geschichte noch einmal zu erzählen. Die neunzehnjährige Kellnerin in der Bar eines Sportclubs hatte sich auf McLarneys Drängen hin der Gruppe von Cops, Staatsanwälten und Cassidys Familie angeschlossen, als sie zur Market Bar aufbrachen. Sie sei eine Heldin, hatte er gesagt, und habe ein Bier verdient.Nachdem er ihr eine Weile zugehört hat, ruft er Kollegen vom Western District hinzu.
»Vince, komm mal rüber!«
»Das ist Vince Moulter«, sagt er zu der jungen Geschworenen. »Er hat mit Gene zusammengearbeitet. Erzählen Sie ihm noch mal, wie eine der Geschworenen gesagt hat, sie fände Butchie süß.«
Zwei Tische weiter nippt Gene Cassidy still an einer Limo. Wenn jemand einen Scherz macht, lacht er. Bevor er mit Patti ein, zwei Stunden später aufbricht, führt McLarney die junge Geschworene noch zu ihnen hinüber, um sie ihnen vorzustellen.
»Ich danke Ihnen«, sagt Cassidy zu dem Mädchen. »Das war die richtige Entscheidung.«
»Ja, das weiß ich«, erwidert sie. »Ihnen viel Glück, mit dem Baby und so.«
McLarney, der ihnen schmunzelnd von der Theke her zuhört, ist schon ein bisschen betrunken. Die Versammlung zögert den Aufbruch bis zum Letzten hinaus, doch um kurz nach eins kommt Nicky hinter der Bar hervor und beginnt die Tische abzuwischen. Cassidy ist längst gegangen, ebenso Belt, Tuggle und Gersh. McLarney, Biemiller und ein paar andere sehen zu, wie das Mädchen seine Sachen zusammensucht.
»Wir gehen noch in die Clinton Street, wenn der Laden hier dichtmacht«, sagt McLarney. »Sie können gern mitkommen.«
»Was ist in der Clinton Street?«
»Heiliger Boden«, scherzt einer der Cops.
Noch bevor die junge Frau antworten kann, wird McLarney klar, wie unangebracht sein Vorschlag war. Das Ende der Clinton Street ist der beste Platz zum Abhängen im Southwestern District, aber in Wahrheit nicht mehr als ein verrotteter Kai. Diese junge Frau aber ist eine ganz normale Bürgerin.
»Clinton Street ist ein Kai hier in der Nähe«, erklärt er betreten. »Vince holt ein paar Bier, und wir treffen uns dort. Also keine große Sache.«
»Ich muss jetzt wirklich heim«, entgegnet sie verlegen.
»Na gut.« Irgendwie ist McLarney erleichtert. »Vince fährt Sie zurück zu Ihrem Auto.«
»Danke für das Bier«, sagt sie. »Ich muss schon sagen, so etwas möchte ich nicht noch einmal durchmachen. Trotzdem, es war eine interessante Erfahrung. Danke.«
»Keine Ursache«, erwidert McLarnes. »Wir danken Ihnen.«
Als Vince Moulter mit dem Mädchen aufgebrochen ist, leert McLarney sein Glas und legt für Nicky ein Trinkgeld auf die Theke. Dann klopft er seine Taschen nach Autoschlüssel, Brieftasche, Dienstmarke und Waffe ab – die übliche Inventur am Ende eines Kneipenbesuchs, mit der er sich zum Gehen bereit macht.
»Hast du etwa gedacht, sie kommt mit in die Clinton Street?«, fragt Biemiller und sieht ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Du kapierst es einfach nicht«, erwidert McLarney verärgert. »Sie ist eine Heldin.«
Biemiller grinst.
»Wer ist dabei?«, fragt McLarney.
»Du, ich, Vince und vielleicht noch ein paar von den anderen. Vince besorgt uns ein paar Dosen.«
Sie fahren getrennt erst nach Süden und dann nach Osten durch die Reihenhausviertel Fells Point und Canton. Am Eingang des Hafens biegen sie in die Clinton Street, dann geht es ein paar Hundert Meter weiter Richtung Süden, bis die Straße im Schatten der Zementtürme von Lehigh endet. Sie steigen aus. Rechts von ihnen steht ein verrostetes Lagerhaus, links liegt ein heruntergekommener Hafenkai. Die Nacht ist warm, und von dem Müll, der auf dem Wasser schwimmt,
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