Homicide
»Gottverdammter Scheißjob, Gott verdammter.«
»Ja, das ist nicht schön, mein Freund«, grummelt Requer. Er pafft heftig und betrachtet die wimmelnde Masse von Maden. »Sein Gesicht bewegt sich – gebratener Reis mit Schweinefleisch. Sie wissen schon.«
»Eine der schlimmsten, die ich je hatte«, sagt der Rechtsmediziner nach Luft ringend. »Der Zahl der Fliegen nach würde ich sagen, mindestens fünf oder sechs Tage.«
»Eine Woche«, sagt Requer und schließt sein Notizbuch.
Draußen auf dem Parkplatz steht der Officer vom Central District, der als Erster in der Wohnung eintraf, vor seinem Funkwagen. Er hat sich davongeschlichen, um etwas zu essen. Aus einem Kassettenrekorder auf dem Armaturenbrett dröhnt wieder der Hit des Sommers.
»It takes two to make a thing go right …«
»Wie zum Teufel können Sie etwas essen, nachdem Sie das da drinnen gesehen haben?«, fragt Dunnigan ehrlich erstaunt.
»Roastbeef, gibt’s selten«, erwidert der Cop und zeigt stolz auf die zweite Hälfte seines Sandwichs. »He!, ich hab’ schließlich nur eine Essenspause pro Schicht.«
Im Sommer bräuchte man eigentlich eine Anzeigentafel, um den Überblick über die Einsätze zu behalten. Nehmen wir Constantine und Keller in Pigtown, die einen Mord in einer Bar bearbeiten. Wie sich herausstellt, ist der Verdächtige ein Junge, der vier Jahre zuvor vom Raubmord an einem älteren Lehrer freigesprochen wurde. Oder Waltemeyer und Worden in einer Reggaedisco bei den Metrogleisen im Nordwesten, vor dem Eingang ein toter Jamaikaner und ein Dutzend 9mm-Patronenhülsen. Im Club drängen sich an die siebzig seiner Landsleute, die bei Jah Rastafari schwören, nicht das Geringste gesehen zu haben, Mann. Oder Dunnigan, der wegen einer Leiche im Schrank zu den Perkins Homes gefahren ist; Pellegrini in den Central District wegen einer Leiche in der Gosse; Childs und Snyder in den Eastern wegen einer weiblichen, skelettierten Leiche unter einer Veranda, die drei Wochen später mit einer Vermisstenanzeige in Zusammenhang gebracht werden kann. Sie war ein äußerst zartes Ding, kaum achtzehn, und knapp fünfzig Kilogramm heißes Fleisch, und ihr Schwein von einem Stiefvater hatte gewartet, bis seine Frau für eine Woche verreist war. Am Samstag brachte er dann drei Freunde mit, und nach einem Sixpack nahmen sie sie sich, alle vier abwechselnd, und sie würgten sie, indem sie ein Handtuch um ihren Hals schlangen und in entgegengesetzte Richtungen zogen.
»Warum macht ihr das?«, fragte sie flehend.
»Tut mir leid«, sagte ihr Stiefvater. »Das muss sein.«
Die Rufe, Schreie und Flüche schwellen mit der Temperatur in der abgestandenen, fauligen Luft an und ab. Zu einem Crescendo kommt es in der letzten und heißesten Juliwoche – sechs Tage hintereinander Temperaturen am Siedepunkt, und der Polizeifunk der Stadt klingt wie ein Endlosband:
»Viertausendfünfhundert Pimlico, Rückseite, Frauenschreie … dreitausendsechshundert Howard Park, bewaffnete Person … vierundzwanzigeinundfünfzig Druid Hill, Überfall, noch im Gange … Bitte Verstärkung zur Calhoun, Ecke Mosher. Bitte Verstärkung … vierzehn fünfzehn Key Highway, tätlicher Angriff auf Frau durch einen Mann …«
Und dann der Ruf aus der Leitstelle, den alle am meisten fürchten, die Meldung während der Tagschicht, die nur kommt, wenn die Hitze den falschen Mann am falschen Ort am falschen Nerv getroffen hat.
»Verstärkung erbeten. Sieben vierundfünfzig Forrest Street.«
Es beginnt damit, dass ein Insasse und ein Wärter im Sicherheitstor am Ende von Hof 4 aneinandergeraten. Dann kommt ein zweiter Häftling hinzu, dann noch einer, dann ein vierter – und alle schwingen einen Softballschläger aus Alu. Revolte.
Die Detectives stürmen in Gruppen los – Landsman, Worden, Fahlteich, Kincaid, Dave Brown, James – und rasen zur Justizvollzugsanstalt von Maryland am Ostrand der Innenstadt, jener grauen Steinfestung, die seit James Madisons Präsidentschaft als staatliches Hochsicherheitsgefängnis dient. Es ist die Endstation für alle, denen auch das letzte Resozialisierungsprogramm des Landes nicht helfen konnte, die letzte Verwahranstalt für Männer, die nicht einmal in den Gefängnissen von Jessupo und Hagerstown zu bändigen sind. Hier sind die Todeszellen und die Gaskammer, hier sitzen Menschen, deren Haftstrafe sich im Durchschnitt auf »lebenslänglich« beläuft; hier befindet sich der berüchtigte Südtrakt, der im Bericht eines Generalstaatsanwalts einmal
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