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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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Orioles aus; ein Junge von der West Side tanzt in einem Freizeitzentrum nahe der Aisquith Street mit der Freundin eines Jungen von der East Side; ein Vierzehnjähriger schubst ein älteres Kind im Bus – sie alle riskieren ihr Leben.
    Ein Detective kann den Beginn des Sommers genau datieren: Er kommt, wenn die Temperaturen steigen und sie den ersten Mord aufgrund fehlenden Respekts reinbekommen. Respekt ist in der Innenstadt ein äußerst seltenes Phänomen, und so kann es an einem Tag mit 30 oder mehr Grad plötzlich nötig erscheinen, sich selbigen durch einen Gewaltakt zu verschaffen. In diesem Jahr beginnt der Sommer an einem warmen Sonntagabend im Mai, als ein sechzehnjähriger Schüler der Walbrook High School an einem Bauchschuss stirbt. Er hat sich in einen Streit eingemischt, der damit begann, dass sein Freund verprügelt und gezwungen wurde, sein Kirscheis am Stil im Wert von 15 Cent herzugeben.
    »Bei diesem Fall ging es nicht um Drogen«, erklärte Dave Hollingsworth, einer von Stantons Detectives, zur Beruhigung der Reporter und durch sie der schwitzenden Massen. »Es ging um ein Eis.«
    Summertime.
    Sicher, die Statistik zeigt nur einen geringen Anstieg der Mordrate in den heißen Monaten, zumindest, wenn man einen Sprung von zehn oder 20 Prozent als gering bezeichnen will. Doch in den Augen eines Mordermittlers können die Statistiker überhaupt nicht mitreden, solange sie nicht wenigstens einmal in den Tagen um den 4. Juli in einem Streifenwagen des Eastern District mitgefahren sind. Der Sommer ist etwas, was man auf den Straßen ins Kalkül ziehen muss, egal, wie viele im Schock-Trauma-Center gerettet werden können. Zur Hölle mit den Toten, wird ein erfahrener Detective sagen, solange die Schießereien, Messerstechereien und Schlägereien einen Trupp den ganzen Sommerauf Trab halten können. Dazu noch die Selbstmorde, die Drogentoten und die unerklärlichen Todesfälle – eigentlich Routinemüll, der nebenbei anfällt, aber wenn die Leichen bei über 32 Grad zu verwesen beginnen, auf einmal unerträglich wird. Wagen Sie bloß nicht, einem Morddetective die Tabellen und Grafiken zu zeigen, er würde sie Ihnen aus der Hand schlagen. Sommer, das ist Krieg.
    Man braucht nur einmal an einem heißen Julinachmittag in Pimlico Eddie Brown zu fragen, wenn die Mädchen des Viertels vor dem Haus miteinander tanzen, während die Leute von der Spurensicherung und die Detectives einen Tatort aufnehmen. Ein junger Mann ist gestorben, erschossen auf dem Beifahrersitz eines gestohlenen Wagens, der von Pimlico Richtung Greenspring unterwegs war, auf der Suche nach einem Gangmitglied – nur dass der andere ihn schneller fand. Ein Mord mitten am Tag auf einer Hauptgeschäftsstraße, aber der Fahrer ist geflohen, und sonst hat niemand etwas gesehen. Während Brown eine geladene 32er aus dem Autowrack zieht, tanzen die Mädchen zu einem Beat, der durch die Überlautstärke ziemlich verzerrt wird.
    Zuerst ein laut geheultes
»It takes two to make a thing go right …«
    Dann der Basslick und ein weiterer Sopranschrei
: »… it takes two to make it outta sight.«
    Die unschlagbare Nummer eins. Das Stück mit dem abgrundtiefen Bass und den spitzen Schreien auf dem Vierteltakt ist im Ghetto der eindeutige Gewinner des Sommers. Ein starkes Schlagzeug, ein heißer Rhythmus und eine Schwarze mit süßer Stimme, die immer wieder den zweizeiligen Text herausheult. East Side, West Side, die ganze Stadt, die Drogendealer Baltimores kämpfen und sterben zum selben Soundtrack.
    Sie meinen, der Sommer sei eine Jahreszeit wie jede andere? Dann fragen Sie mal Rich Garvey nach der Schießerei am 4. Juli in der Madeira Street im Eastern, bei der eine fünfunddreißigjährige Frau einen Dauerstreit mit ihrer Nachbarin beendet, indem sie aus geringer Entfernung aus einer 32er einen Schuss abfeuert und dann in ihr Haus zurückkehrt, während die andere Frau im Sterben liegt.
    »
It takes two to make a thing go right …«
    Fragen Sie Kevin Davis nach Ernestine Parker, einer Frau mittleren Alters aus Pimlico, die meint, dass nicht die Hitze das Schlimmste ist,sondern die Schwüle, und dann in einer Julinacht ihrem Mann eine Schrottflinte an den Nacken hält. Und als Davis ins Büro zurückkehrt, um Ernestines Daten durch den Computer zu jagen, erfährt er, dass das bereits ihr zweiter Biss in den Apfel ist: Sie hat vor zwanzig Jahren schon einmal einen Mann umgebracht.
    »
It takes two to make it outta sight …«
    Fragen Sie Rick James

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