Homicide
konnte er es nur noch als Beleidigung auffassen. Folglich erreichte D’Addarios Beziehung zum Captain einen Tiefpunkt.
Gary D’Addario war schwer aus der Ruhe zu bringen, doch die Monroe Street strapazierte seine Nerven. Vor ein paar Tagen hatte Terry McLarney ein gewöhnliches Memo mit dem Antrag verfasst, zwei Beamte aus dem Western District zum Morddezernat abzustellen, um bei den laufenden Ermittlungen zu assistieren. Er überging dabei D’Addario, indem er seinen Antrag auf direktem Weg an den Verwaltungschef leitete. Eine kleine Missachtung des Respekts gegenüber der Befehlskette, doch jetzt, mit ihm allein im Kaffeeraum, bringt D’Addario die Sache zur Sprache und macht seinen Standpunkt mit Humor und überspitzer Förmlichkeit klar.
»Sergeant McLarney«, beginnt er lächelnd, »solange ich noch Ihre Aufmerksamkeit habe, wäre es da wohl möglich, eine Verwaltungsangelegenheit zu klären?«
»Die Whiskyflasche in meiner Schreibtischschublade gehört mir nicht«, platzt McLarney heraus, ohne eine Miene zu verziehen. »Sergeant Landsman hat sie dort deponiert, um mich in Verruf zu bringen.«
D’Addario lacht auf.
»Und«, fährt Landsman bierernst fort, »ich möchte respektvoll darauf hinweisen, dass Sergeant Nolans Leute ihre Einträge im Fahrtenbuch vergessen, wenn sie einen Dienstwagen benutzt haben, im Gegensatz zu meinem Team, dem ich das eingebläut habe.«
»Es geht um etwas anderes.«
»Hat sich etwa ein Officer schlechten Betragens schuldig gemacht?«
»Ganz und gar nicht. Es geht nur um einen reinen Verwaltungsakt.«
»Aha.« McLarney zuckt die Achseln und setzt sich. »Ich habe schon gedacht, ich muss mir Sorgen machen.«
»Ich bin ein bisschen bekümmert, weil Sie ein gewisses Memo an einen anderen Lieutenant in diesem Präsidium geschickt haben als an mich.«
McLarney sieht sogleich, was falsch gelaufen ist. Wegen der Monroe Street sind sie alle äußerst empfindlich.
»Da war ich zu voreilig. Tut mir leid.«
D’Addario wischt die Entschuldigung mit einer Handbewegung vom Tisch. »Ich möchte Ihnen nur eine ganz bestimmte Frage stellen.«
»Ja, Sir?«
»Einmal vorweg: Sie sind katholisch, soweit ich weiß?«
»Und stolz darauf.«
»Gut. Dann will ich dich fragen: Akzeptierst du mich als deinen einzig wahren Herrn und Lieutenant?«
»Ja, Sir.«
»Ist dir klar, dass du keinen anderen Lieutenant haben sollst neben mir?«
»Ja, Sir.«
»Und dass du mir auf immer und ewig die Treue hältst und keine falschen Lieutenants anbetest?«
»Ja.«
»Ausgezeichnet, Sergeant«, sagt D’Addario und streckt ihm die rechte Hand hin. »Dann darfst du jetzt den Ring küssen.«
McLarney beugt sich über den breiten Reifen der University of Baltimore und mimt eine übertriebene Geste der Ergebenheit. Beide Männer lachen, und D’Addario trägt zufrieden seinen Becher Kaffee in sein Büro zurück.
Allein im Kaffeeraum, starrt McLarney auf das lange weiße Rechteck. Er weiß, das auf Abwege geratene Memo ist inzwischen vergeben und vergessen. Aber die rote Tinte auf D’Addarios Seite macht ihm wirklich Sorgen.
Wie bei den meisten Vorgesetzten im Morddezernat schlägt in McLarney das Herz eines Detective, und wie D’Addario sieht er sich hauptsächlich als Prellbock. In den Districts können Lieutenants ihren Sergeants Befehle erteilen, und Sergeants ihren Männern, und es geht alles seinen Gang, wie es im Diensthandbuch steht – im Streifendienst wird die Befehlskette beachtet. Im Morddezernat hingegen, wo sich die Detectives von ihrem Instinkt und ihrer Begabung leiten lassen, sollte ein guter Vorgesetzter besser nicht zu fordernd auftreten. Er schlägt vor, er ermutigt, er bittet und bettelt und fasst seine Männer, die auch ohne Anweisung wissen, wie ein Fall angepackt werden muss, mit Samthandschuhen an. Am besten unterstützt ein Detective Sergeant seine Männer, indem er ihnen den Papierkram abnimmt, sie vor den Dekoriertenabschirmt und sie ihre Arbeit tun lässt. Dieses Konzept hat sich bewährt, und an neun von zehn Tagen hält sich McLarney auch daran. Am zehnten Tag jedoch fühlt er sich unvermittelt bemüßigt, es nach dem Muster jener Sergeants zu versuchen, vor denen man auf der Polizeischule immer gewarnt wird.
Der mächtige Ire mit dem Engelsgesicht legt ein stämmiges Bein auf den Schreibtisch und betrachtet die drei roten Einträge unter seinem Namensschild. Thomas Ward. Kenny Vines. Michael Jones. Drei Tote, drei offenen Fälle. Für ein Team gewiss nicht die beste
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