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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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Mann zum Nachbarhaus gingen und aus ihrem Blickfeld verschwanden, wie sie dann noch im Einschlafen hörte, dass nebenan in einem Stockwerk unter ihr ein Streit ausbrach Zuletzt berichtet sie, wie sie später von dem Mord hörte.
    »Miss Jackson«, fragt Doan, »nachdem sie erfahren hatten, dass Charlene Lucas ermordet worden war, sind Sie da mit dem, was sie beobachtet haben, zur Polizei gegangen?«
    »Nein«, sagt sie und fängt wieder an zu weinen.
    »Warum nicht, Ma’am?«
    Polansky erhebt Einspruch.
    »Einspruch abgelehnt«, entscheidet Gordy.
    »Aus Angst«, sagt das Mädchen. »Ich wollte da nicht hineingezogen werden.«
    »Haben Sie immer noch Angst?«
    »Ja«, flüstert sie kaum hörbar.
    Tapfer steht Romaine Jackson auch im Kreuzverhör durch Polansky zu ihrer Aussage. Der Verteidiger attackiert ihre Darstellung von den Randbedingungen her: Er fragt nach der Straßenbeleuchtung an jenem Abend, nach der genauen Zeit, zu der sie aus dem Fenster schaute, warum sie aus dem Fenster geschaut habe, wie sie überhaupt hören konnte, dass im Nachbarhaus ein Streit stattfand. Allzu harsch kann Polansky die junge Frau nicht angehen. Selbst wenn es ihm dadurch gelingen würde, ihre Aussage zu erschüttern, die Geschworenen würden es ihm verübeln. So bleibt ihm nur, den Eindruck zu vermitteln, dass sie sich irrt, dass sie gar nicht mit Sicherheit wissen kann, ob sie tatsächlich Robert Frazier gesehen hat. Polansky umkreist die Zeugenaussage des Mädchens eine halbe Stunde lang von allen Seiten und zieht so ihre Qual in die Länge, ohne jedoch den Kern ihrer Aussage antasten zu können. Als Romaine Jackson am späten Nachmittag den Zeugenstand verlässt, hat sie mit ihrem beharrlichen Festhalten an der Wahrheit großen Eindruck hinterlassen.
    »Romaine, Sie sind ein Schatz«, sagt Garvey, der sie abfängt, als sie den Gerichtssaal durch die Hintertür verlässt. »Also, nun geben Sie’s zu. Das war doch nicht so schlimm, oder?«
    »Doch«, sagt sie, lachend und weinend zugleich. »Das war es.«
    »Ach, woher«, sagt der Detective und legt ihr den Arm um dieSchultern. »Ich wette, am Ende hat es Ihnen sogar ein bisschen Spaß gemacht. Habe ich recht?«
    »Nein«, sagt sie lachend. »Nein, hat es nicht.«
    Eine halbe Stunde später kommt Doan aus dem Gerichtssaal. Garvey fängt ihn im Korridor des zweiten Stocks ab. »Na, wie hat sich mein Mädchen da drin geschlagen?«
    »Sie war großartig«, sagt Doan in sachlichem Ton. »Verängstigt, aber großartig.«
    Doch es ist noch lange nicht vorbei. Am nächsten Tag, dem letzten, der der Anklage gehört, liefern sich Staatsanwalt und Verteidiger ein Gefecht um die ballistischen Beweise und die sichergestellte 38er-Munition. Als Dave Brown im Zeugenstand ist, versucht Doan, seine Aussage auf die 38er-Kugeln zu beschränken, die nach Fraziers Verhaftung in dessen Wagen gefunden wurden. Polansky vollführt einen ziemlichen Eiertanz, um nicht gegen die im Vorverfahren getroffene Vereinbarung zu verstoßen, den Mord an Purnell Booker unerwähnt zu lassen. Er befragt Brown im Kreuzverhör zu dem Durchsuchungsbefehl, bei dessen Vollstreckung die Detectives die 38er-Wadcutter-Munition und die Messer unter Vincent Bookers Bett sichergestellt hatten. Es ist ein heikles Thema – beide Seiten geben sich größte Mühe, den Booker-Mord nicht zu erwähnen –, und es sind vier Besprechungen mit Gordy an der Richterbank erforderlich, ehe sie zu einer Einigung über Browns Zeugenaussage finden. Bei der Fortsetzung der Befragung lässt Doan Brown zu Protokoll geben, dass die bei Vincent Booker gefundenen Messer im Labor untersucht wurden und sich an ihnen keine Blutspuren fanden. Trotzdem schafft es Polansky wieder einmal, mit einigen geschickten Fragen das Gespenst eines anderen Tatverdächtigen zu beschwören.
    Das setzt er fort, als John Kopera von der Schusswaffenabteilung in den Zeugenstand tritt. Doan geht mit Kopera die Untersuchung der beim Mord verwendeten Projektile und der 38er-Munition durch, die nach Fraziers Festnahme in seinem Auto gefunden wurden. Alle Patronen sind vom selben Kaliber, bestätigt Kopera. Doch so unspektakulär diese Zeugenaussage scheint, sie öffnet Polansky ein weiteres Türchen. Er hebt hervor, dass die Kugeln, mit denen Lena Lucas getötet wurde, 38er-Wadcutter waren, während es sich bei den im Auto seines Mandanten gefundenen Kugeln um 38er-Rundkopfgeschosse handelte.
    »Sie sagen also«, erklärt Polansky, »dass die Kugeln aus dem Wagen von Frazier

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