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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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noch etwas Beiges?«
    Die Geschworenen lachen. Henson wirft einen verärgerten Blick in ihre Richtung.
    »Eine Kopfbedeckung vielleicht?«
    »Mehr so ’ne Golfkappe.«
    »Mit einem Druckknopf vorn auf dem Schirm?«, fragt Doan.
    »Genau«, sagt sie und nickt zustimmend.
    Plötzlich schlägt Larry Doan einen anderen Ton an. Er befasst sich mit ihren Aussagen gegenüber den Detectives und der Grand Jury.
    »Als Sie mit der Polizei gesprochen haben, haben Sie da nicht erklärt, dass er ein schwarzes, hüftlanges Sakko trug?«
    »Ich habe mit der Polizei gesprochen«, sagt sie. Der Ton in Doans Stimme scheint sie zu beunruhigen.
    »Ma’am, lautet die Antwort ja oder nein?«
    »Ich kann mich nicht erinnern.«
    »Sie können sich nicht erinnern?«
    »Nein.«
    »Können Sie sich daran erinnern, dass Sie der Grand Jury seine Kleidung beschrieben haben?«
    »Einspruch, Euer Ehren«, ruft Polansky.
    Gordy ignoriert ihn. »Ja oder nein?«, fragt der Richter.
    »Kann sein, dass sie mich danach gefragt haben«, sagt sie eingeschnappt. »Ich kann mich nicht daran erinnern.«
    Und so geht es noch eine halbe Stunde weiter. Doan liest aus den Protokollen vor, und Sharon Henson behauptet, sie könne sich nicht erinnern.
    »Stimmt es Ma’am, dass sie an diesem Abend einen Streit mit Mr. Frazier hatten?«
    »Ja.«
    »Und nach dem Streit hat er Ihre Wohnung verlassen?«
    »Nein.«
    »Er hat ihre Wohnung den ganzen Abend über nicht verlassen?«
    »Doch, er ist mal zwanzig Minuten weg gewesen.«
    »Und als er zurückkam, was hat er da gemacht?«
    »Er hat sich wieder mit den Gästen unterhalten.«
    »Und er ist die ganze Nacht über geblieben. Das wollen Sie doch den Damen und Herren Geschworenen sagen?«
    »Ja«, antwortet sie.
    »Und sie möchten, dass die Geschworenen Ihnen glauben, nicht wahr?«
    Polansky springt auf und erhebt Einspruch.
    »Abgelehnt«, erklärt Gordy.
    An diesem Punkt schaut Sharon Henson mit süßlichem Lächeln durch den Verhandlungssaal zu Larry Doan hinüber. Sie wirkt, als sei sie sich sicher, die Anklage zu Fall gebracht zu haben, während sie eigentlich gerade dabei ist, Paul Polanskys bisherige Arbeit zu zerstören.
    »Stimmt das, Ma’am?«, fragt Doan. »Sie möchten, dass die Geschworenen glauben, er sei die ganze Nacht bei Ihnen gewesen. Stimmt das?«
    »Ja, so war es.«
    »Sie können sich also heute besser an die Ereignisse vom zweiundzwanzigstenFebruar erinnern, als es am siebzehnten oder zehnten März dieses Jahres der Fall war?«
    »März? Nein. Ja.«
    »Also, heute erinnern Sie sich besser?«, fragt Doan, inzwischen unverkennbar gereizt.
    »Na ja, ich habe mit den Leuten darüber geredet, die an dem Abend bei mir waren.«
    Doan wirft den Geschworenen einen Blick zu, in dem sich sein ganzer Zweifel ausdrückt. »So, so«, sagt er kopfschüttelnd. »Sie haben also mit ein paar Leuten gesprochen, die an dem Abend Ihre Gäste waren, und das hat Ihrer Erinnerung auf die Sprünge geholfen?«
    »Das hat mich an ein paar Sachen von dem Abend erinnert, die mir entfallen waren.«
    »Also zum Beispiel, wie lange Ihr Freund geblieben ist? Das musste Ihnen erst jemand anders erzählen?«
    »Entschuldigen Sie, Sir«, zischt sie. »Ich stand an diesem Abend unter dem Einfluss von Drogen und Alkohol.«
    »Wie ist es da möglich«, fragt Doan, jedes einzelne Wort betonend, »dass Sie sich jetzt auf einmal so gut an alles erinnern?«
    Polansky sitzt an seinem Tisch und hat die Stirn in die Hand gestützt. Was hätte das für ein schöner Fall sein können, denkt er vermutlich. Seine ganze kunstvoll ausgearbeitete Strategie auf einen Schlag von dieser Witzfigur zerstört. Die Schachtel Newports, die nicht untersuchten Haare und das Gespenst von Vincent Booker – all das löst sich in nichts auf, als Doan zur Erheiterung sämtlicher Anwesender Sharon Hensons Aussage zerpflückt. Mehr als einmal lachen die Geschworenen so laut, dass Gordy zum Hammer greift und den Saal zur Ordnung ruft.
    Draußen vor der Tür geht Garvey unruhig auf und ab. Die Zeugenvernehmung von Sharon Henson zieht sich in die Länge. Erst als Doan herauskommt, ahnt er den Triumph.
    »Was ist denn mit Nee-Cee passiert?«, fragt er, während er mit dem Staatsanwalt den Korridor im zweiten Stock entlanggeht. »Ist sie etwa übergelaufen?«
    Doan grinst so sehr, dass man sich nicht wundern würde, wenn hinten aus den Nadelstreifen eine Haifischflosse hervorlugen würde. »EinSchlachtfest! Die habe ich komplett auseinandergenommen«, informiert er

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