Homicide
zwar 38er waren, aber nicht von derselben Art wie jene, die man am Tatort fand.«
»Ja, Sir, das ist korrekt.«
»Und einige der Kugeln – die zwölf Kugeln, die man in Vincent Bookers Wohnung fand – waren nicht nur vom Kaliber 38, sondern es waren auch Wadcutter-Geschosse. Ist das richtig?«
»Ja«, sagt Kopera.
Wenn Rich Garvey das hören könnte, wenn er hören könnte, wie Polansky die schemenhafte Gestalt von Vincent Booker vor der Jury beschwört, dann würde er Doan wahrscheinlich am liebsten den Hals umdrehen. Sie können Polansky nur dann etwas entgegensetzen, wenn sie eine Verbindung zwischen den Kugeln von Vincent Booker und Robert Frazier herstellen, und dies ist nur möglich, indem man Vincent Booker in den Zeugenstand ruft. Booker könnte bezeugen, dass er Frazier die Wadcutter am Abend des Mordes gegeben hat, und dass Frazier ihn um die Munition gebeten hatte, weil er sich die Drogen von seinem Vater zurückholen wollte. Aber diese Zeugenaussage würde mehr Fragen aufwerfen als beantworten. Doan war fest überzeugt, dass man Vincent Booker am besten ganz aus dem Spiel ließ.
Die Beweisaufnahme durch die Anklage ist fast beendet. Die Zuschauer im Saal sind unschlüssig, welche Seite im Vorteil ist. Doan hat ein gutes Fundament gelegt und Romaine Jackson routiniert durch ihre wichtige Aussage geführt. Aber auch Polansky konnte punkten, und seine geschickte Beschwörung von Vincent Booker könnte die Geschworenen unschlüssig machen. Doch Doan ist noch nicht fertig. Er überrascht Polansky mit einer letzten Zeugin. Der Verteidiger war nicht davon ausgegangen, dass sie von der Anklage herangezogen werden würde, um seinen Mandanten zu belasten.
»Euer Ehren«, sagt Doan, nachdem die Geschworenen in die Mittagspause entlassen worden sind, »ich beantrage, dass Sharon Denise Henson, wenn sie aufgerufen wird, als Zeugin des Gerichts aussagt.«
»Einspruch!«, ruft Polansky, sehr laut.
»Und mit welcher Begründung, Mr. Doan«, fragt Gordy, »insbesondere unter Berücksichtigung des Einspruchs?«
Der Staatsanwalt schildert Robert Fraziers Versuch, seine zweiteFreundin im Mord an seiner ersten als Alibi zu benutzen, und berichtet von der Befragung Nee-Cee Hensons durch die Detectives, in der sie zugab, dass Frazier an jenem Abend schon früh gegangen und erst am Morgen zurückgekommen sei. Das hatte sie zu Protokoll gegeben und unterschrieben, und ähnlich hatte sie es auch vor der Grand Jury geschildert. Jetzt, da Frazier lebenslängliche Haft ohne Möglichkeit auf Bewährung drohte, macht sie einen Rückzieher. Plötzlich erklärte sie Doan, sie könne sich nun besser an das Essen erinnern. Frazier sei nur einmal am frühen Abend kurz weg gewesen und danach bis zum Morgen bei ihr geblieben.
Es liegt etwa zwei Wochen zurück, dass sie von ihrer ursprünglichen Darstellung abrückte und eine Aussage unterschrieb, die sie gegenüber einem von Polansky angeheuerten Privatdetektiv gemacht hatte. Doan, der weiß, dass sie Frazier wiederholt in der Untersuchungshaft besucht hat, überrascht das nicht. Nun bittet er Gordy, sie als Zeugin der Anklage aufzurufen. Dadurch erhofft sich der Staatsanwalt, Sharon Henson unglaubwürdig machen zu können.
»Es wäre unfair, wenn die Geschworenen sie nicht mit eigenen Augen sehen und ihre Aussage hören könnten«, sagt Doan, »zugleich aber würde es die Anklage in eine unmögliche Position bringen, sie als Belastungszeugin aufzurufen.«
»Mr. Polansky?«, fragt Gordy.
»Euer Ehren, wäre es möglich … wäre es möglich, dass ich mich nach der Pause zu Mr. Doans Antrag äußere, damit ich Zeit habe, mir die Sache durch den Kopf gehen zu lassen?«
»Abgelehnt.«
»Kann ich mir das dann einen Augenblick ansehen?«, fragt Polansky und überfliegt eine Kopie des Antrags der Staatsanwaltschaft.
»Genehmigt«, sagt Gordon, gelangweilt und genervt zugleich. »Während Mr. Polansky sich das anschaut, halte ich für das Protokoll fest, dass diese Angelegenheit für das Gericht keinesfalls überraschend kommt, da sie seit Beginn des Prozesses wiederholt Gegenstand von Gesprächen zwischen dem Gericht und den Parteien war.«
Polansky lässt sich ein wenig Zeit und formuliert dann seine Einwände. Sein wichtigster lautet, dass sich Miss Hensons derzeitige Version der Ereignisse nicht wesentlich von ihrer früheren Aussage unterscheide.Ihre Angaben seien nicht so widersprüchlich, dass es gerechtfertigt erscheine, sie als Zeugin des Gerichts
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