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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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Vergewaltigung absitzen musste, mal wieder auf Bewährung frei.
    »Wenn du in drei Minuten nicht rauskommst«, schärft ihm Nolan vor der Toilette ein, »dann werde ich dich da drin besuchen. Ist das klar?«
    Zwei Minuten später kommt Eugene Dale dümmlich grinsend wieder auf den Flur. Nolan zeigt mit dem Finger den Weg zum Verhörraum.
    »Und was ist mit trinken?«
    »Was soll damit sein?«, antwortet Nolan. »Dann trink halt.«
    Dale bleibt beim Wasserspender stehen, löscht seinen Durst und wischt sich den feuchten Mund mit dem Ärmel ab. Er wird in den Verschlag zurückgebracht, wo er auf Edgerton wartet, der gerade in einem anderen Raum Leute aus Dales engerer Bekanntschaft befragt, um sich auf das Verhör vorzubereiten.
    Irgendwie hätte das Ganze mehr Klasse, wenn ihnen Eugene Dale durch geniale Ermittlungsarbeit ins Netz gegangen wäre. Die Detectives, die immer noch unter ihrem Scheitern im Fall Latonya Wallace litten, hätten es nur als gerecht empfunden, wenn sie durch scharfsinnige Schlussfolgerungen aus Ermittlungsergebnissen auf diese Spur gekommen wären. Und für Harry Edgerton wäre es eine Genugtuung gewesen, wenn er mit seinen einsamen akribischen Nachforschungen auf diesen Namen gestoßen wäre.
    Doch wie so oft im Leben kommt die ausgleichende Gerechtigkeit nicht zum Zuge. Edgerton hatte alles in seiner Macht stehende getan, um den Täter finden, doch am Ende ist er ihm einfach in die Arme gelaufen. Bereits wegen des kaltblütigen Mords an einem Mädchens gesucht, ließ der nun im großen Verhörraum zeternde Mann gerade einmal zwei Wochen vergehen, bis er wieder ein Mädchen vergewaltigte.
    Als diese zweite Vergewaltigung gemeldet wird, wissen sie, was das bedeutet. Edgerton hat die Vorarbeit geleistet; er hat sich mit den Verantwortlichen von drei Districts getroffen und sie eindringlich gebeten, alle Sexualdelikte und alle Fälle, bei denen eine 32er im Spiel war, zu melden. Officer Rita Cohen, die den Vergewaltigungsfall im Southern Distrikt übernahm, wusste daher gleich, was sie zu tun hatte. Diesmal war das Opfer ein dreizehnjähriges Mädchen. Dale hatte es in ein leer stehendes Haus an der South Mount Street gelockt, mit einer »silbrig aussehenden« Waffe bedroht und vergewaltigt. Allerdings ließ er das Kind am Leben, nicht ohne der Kleinen einzuschärfen, dass er sie finden und ihr in den Kopf schießen würde, sollte sie jemandem davon erzählen. Das Mädchen versicherte, nichts zu verraten, vertraute sichaber umgehend seiner Mutter an. Sie kannte ihren Peiniger mit Namen und Adresse – die Tochter von Dales Lebensgefährtin war ihre beste Freundin.
    Das Verbrechen war ebenso dumm wie niederträchtig. Die Tochter der Geliebten von Dale hatte sogar gesehen, wie er das Opfer vor der Tat nach Hause begleitete, was wohl erklärt, warum er die Dreizehnjährige nach der Vergewaltigung nicht ermordete. Er wusste, dass es eine Zeugin gab, und trotzdem ließ er alle Vorsicht fahren, um noch einmal seinen Trieb an einem Kind zu befriedigen.
    Nachdem sie das Morddezernat informiert und die Aussage des Vergewaltigungsopfers zu Protokoll genommen hatten, besorgten sich die Officers vom Southern District einen Durchsuchungsbefehl für Dales Wohnung in der Gilmor Street. Sie lag nur wenige Blocks von dem Hofgelände entfernt, auf dem Andrea Perry ermordet worden war. Die Durchsuchung hatte an einem Tag stattgefunden, an dem Edgerton dienstfrei hatte, und daher war Nolan mit den Officers vom Southern District zu der Adresse gefahren. Er hatte Edgerton aber versprochen, ihm sofort Bescheid zu sagen, wenn sie bei der Durchsuchung brauchbares Beweismaterial oder einen Tatverdächtigen aufspürten.
    Sie waren noch nicht einmal eine halbe Stunde in der Gilmor Street, als Nolan seinen Detective schon anrief und ihm riet, rasch ins Präsidium kommen. Eugene Dale war nicht zu Hause, als der Sturmtrupp durch die Tür brach. In einem Schrank im ersten Stock fanden sie einen mit Automatikpatronen geladenen Revolver. Das genügte Nolan: Andrea Perry war nicht nur mit einer 32er getötet worden, sondern die Ballistiker hatten an dem Geschoss auch leichte Spuren eines gezogenen Laufs festgestellt, was darauf schließen ließ, dass die Automatikmunition mit einem Revolver verschossen worden war. Und was sich aus Nolans erstem Gespräch mit den in der Wohnung anwesenden Personen ergab, passte auch ins Bild.
    Dales Partnerin Rosalind zeigte sich bei der Befragung erstaunlich kooperativ, ebenso ihre Freundin

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