Homicide
einer rosa Krawatte als verdächtig gilt, war Edgerton der personifizierte Spinner. Jay Landsman hatte es einmal für die gesamte Schicht in einer seiner hingeworfenen Bemerkungen auf den Punkt gebracht: »Für einen Kommunisten ist Harry ein verdammt guter Detective.«
Mit seiner kosmopolitischen Herkunft, seinen intellektuellen Neigungenund noch dazu dem New Yorker Akzent entsprach Edgerton so gar nicht dem Bild eines typischen Schwarzen, und die weißen Detectives empfanden sein Verhalten als aufgesetzt. Sie waren es gewohnt, Schwarze aus dem engen Blickwinkel ihrer Erfahrungen in den Slums von Baltimore zu sehen. Edgerton aber passte in kein Klischee und verwischte die im Dezernat als gegeben betrachtete Trennlinie zwischen den Rassen. Schwarze Detectives mit lokalen Wurzeln wie Eddie Brown bemerkten häufig, dass Edgerton »nicht arm und schwarz« sei, eine Definition, die Brown – der einen Cadillac Brougham von den Ausmaßen eines kleinen Containerschiffs fuhr – für sich selbst reserviert hatte. Und wenn die weißen Detectives einen Kollegen brauchten, der anonym irgendwo in West Baltimore anrief, um herauszufinden, ob ein gesuchter Verdächtiger gerade zu Hause war, nahm man Edgerton rasch den Hörer aus der Hand.
»Nicht du, Harry. Wir brauchen jemanden, der wie ein Schwarzer klingt.«
Was seine Isolierung in der Truppe weiter förderte, war die Zusammenarbeit mit Ed Burns, die mit einer Geschichte begann, bei der die beiden zur Drug Enforcement Administration, der nationalen Drogenpolizei, abgestellt worden waren. Burns hatte den Namen eines Drogenbosses herausbekommen, der seine Freundin hatte abschlachten lassen. Die beiden führten in dieser Sache zwei Jahre lang Ermittlungen für die DEA. Da sie den Mord nicht beweisen konnten, überwachten sie monatelang den Computer und das Telefon des Dealers und brachten ihn schließlich wegen Drogenhandels zu Strecke, was ihm dreißig Jahre ohne Bewährung einbrachte. Für Edgerton ging es in einem solchen Fall ums Prinzip; es war eine Botschaft an den organisierten Drogenhandel, der für seine Auftragsmorde oft genug straffrei ausging.
Eine überzeugende Haltung. Fast die Hälfte aller Morde Baltimores, so die Schätzung, stand mit dem Drogenmilieu in Zusammenhang, und ihre Aufklärungsquote war in der Regel niedriger als bei Fällen mit einem anderen Hintergrund. Trotz dieser Entwicklung hatte sich an der Herangehensweise des Morddezernats nichts geändert: Auch Morde im Drogenmilieu wurden von den Detectives nach wie vor in Kleingruppen bearbeitet. Um die Gewalttaten einzudämmen oder, besser noch,zu verhindern, hatten sich Burns und Edgerton dafür ausgesprochen, sich die größeren Drogenhändler der Stadt vorzuknöpfen. Sie hatten dabei vor allem darauf hingewiesen, dass die zahlreichen Verbrechen der einheimischen Drogenkartelle die Schwächen des Morddezernats zeigten, also die Konzentration auf Einzelfallermittlungen und die unkoordinierte und rein reaktive Vorgehensweise. Zwei Jahre nach ihrer ersten Zusammenarbeit mit der DEA hatten Edgerton und Burns Gelegenheit, sich zu beweisen. Sie befassten sich ein Jahr lang mit einem Drogenring, der für ein Dutzend Morde und Mordversuche in der Sozialsiedlung Murphy Home verantwortlich war. Mit seiner traditionellen Herangehensweise hatte das Dezernat keine dieser Schießereien aufklären können, doch durch ausgedehnte Ermittlungen wurden die Schuldigen für vier Morde gefunden und die Hauptangeklagten zu zweimal »lebenslänglich« verurteilt.
Das war Präzisionsarbeit. Die restlichen Detectives wiesen jedoch rasch darauf hin, dass sich die beiden Ermittlungen über drei Jahre hingezogen hatten, drei Jahre, in denen zwei Trupps des Morddezernats unterbesetzt blieben. Schließlich stand das Telefon nicht still, und solange Edgerton für die DEA arbeitete, hatten die restlichen Männer seines Teams – Kincaid und Garvey, McAllister und Bowman – eben mehr Schießereien, mehr ungeklärte Todesfälle, mehr Selbstmorde und mehr Morde zu bearbeiten. Edgertons häufige und längere Abwesenheiten hatten dazu geführt, dass ihm die restlichen Detectives noch distanzierter gegenüberstanden.
Auch jetzt ist Ed Burns wieder zu ausgedehnten Ermittlungen über einen Drogenring in der Sozialsiedlung Lexington Terrace zum FBI abgestellt, die sich womöglich über zwei Jahre hinziehen werden. Edgerton hatte ihn ursprünglich begleitet, aber nach einem hässlichen Disput zwischen lokalen Amtsträgern und der
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