Homicide
Steuererklärung liegen.« Der Officer mit dem roten Gesicht zeigt auf den Couchtisch.
»Ach ja?«
»Sehen Sie selbst.«
Edgerton erkennt das vertraute Deckblatt des Formulars 1040.
»Mich treiben diese Formulare auch immer in den Wahnsinn«, sagt der Streifenbeamte. »Ich glaube, er hat einfach den Kopf verloren.«
Edgerton stöhnt auf. Es ist noch zu früh am Tag für die gnadenlosen Witzchen eines Wachtmeisters.
»Hat wohl gerade Bilanz gezogen.«
»Bullen«, sagt Edgerton, »sind doch einfach nur krank.«
Er wendet sich dem Gewehr zu, das zwischen den Beinen des Toten ruht. Die Schrotflinte vom Kaliber 12 steht mit dem Kolben auf dem Boden, der Lauf zeigt nach oben, und der linke Unterarm des Toten ruht auf dem oberen Teil des Laufs. Der Detective unterzieht die Waffe einer kurzen Musterung, aber da die Spurensicherung ein Foto brauchen wird, lässt er sie zwischen den Beinen des Toten stehen. Dann nimmt er dessen Hand. Immer noch warm. Edgerton überzeugt sich davon, dass der Tod erst vor Kurzem eingetreten ist, indem er prüft, ob die Finger beweglich sind. Es geschieht nicht selten, dass ein Ehestreit mit einem Schuss endet und die verbliebene bessere Hälfte dann drei, vier Stunden durch die Wohnung wandert und überlegt, was sie tun soll. Bis sie schließlich auf die Idee kommt, einen Selbstmord vorzutäuschen, ist die Körpertemperatur der Leiche bereits abgesunken und in den kurzen Muskeln von Fingern und Gesicht macht sich die Totenstarre bemerkbar. Edgerton hatte es schon erlebt, dass sich Täter vergebens abmühten, die steifen Finger des gar nicht mehr so frisch Verstorbenen um den Abzug einer Waffe zu krümmen. So etwas fällt unweigerlich auf, weil die Leiche dann wie eine Schaufensterpuppe aussieht, der man eine Requisite an die Hand geklebt hat. Doch Robert William Smiths hier ist noch echtes Frischfleisch.
Edgerton setzt den Stift auf eine neue Seite: »Gewehr zwischen Beinen des Opfers … Mündung an rechter Wange … große Schusswunde an rechter Kopfseite. Bei Berührung warm. Keine Totenstarre.«
Die beiden Uniformierten sehen, dass Edgerton sich den Mantel anzieht und den Stenoblock in eine der Außentaschen schiebt.
»Wollen Sie nicht auf die Spurensicherung warten?«
»Ich würde ja gerne, aber …«
»Wir gehen Ihnen auf den Geist, oder?«
»Was soll ich sagen? Mein Werk ist vollbracht«, sagt Edgerton mit der Stimme eines Schmierenkomödianten.
Der Officer mit dem roten Gesicht lacht.
»Wenn die Spurensicherung kommt, sagen Sie ihnen, ich braucheFotos des Zimmers und eine gute Aufnahme von dem Mann mit dem Gewehr zwischen den Beinen. Die Waffe werden wir mitnehmen müssen, außerdem auch diesen grünen Bogen.«
»Den Entlassungsschein?«
»Ja, geht alles ins Präsidium. Wie sieht es mit der Versiegelung der Wohnung aus? Wird seine Frau zurückkommen?«
»Sie war ziemlich fertig, als man sie mitgenommen hat. Wir werden schon einen Weg finden, um die Wohnung zu sichern.«
»Prima.«
»Ist das alles?«
»Ja, danke.«
»Gern geschehen.«
Edgerton sieht zu der Polizistin, die noch immer am Esstisch sitzt.
»Wie kommen Sie mit Ihrem Bericht voran?«
»Ist fertig.« Sie hält das Deckblatt in die Höhe. »Wollen Sie ihn sehen?«
»Nein, ich bin sicher, er ist gut.« Edgerton weiß, dass ihn ein Sector Sergeant noch einmal durchgehen wird. »Und wie gefällt Ihnen der Job soweit?«
Die Frau sieht erst den Toten und dann Edgerton an. »Ist okay.«
Edgerton nickt, winkt den Streifenbeamten zu und geht hinaus. Um das Ohr macht er diesmal einen großen Bogen.
Fünfzehn Minuten später sitzt er vor einer Schreibmaschine im Verwaltungsraum des Morddezernats und fasst seine dreiseitigen Notizen zu einem einseitigen Tagesbericht zusammen, CID-Formular 78/151. Die Einzelheiten von Robert William Smiths Hinscheiden haben einen erträglichen Umfang, und selbst mit seinem Adlersuchsystem hat Edgerton es in einer Viertelstunde bewältigt. Morde werden zwar vorrangig in einzelnen Akten dokumentiert, doch in den Tagesberichten lassen sich die Aktionen aller im Dezernat Gewaltverbrechen tätigen Detectives nachvollziehen. Außerdem kann man sich durch die Lektüre der Tagesberichte einen Überblick der laufenden Fälle verschaffen. Für jeden Vorfall gibt es ein ein- oder zweiseitiges Memo mit einer kurzen Charakterisierung in der Titelzeile, und wenn ein Detective durch die Tagesberichte blättert, bekommt er durch die einleitenden Zusammenfassungen einen kompletten und
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