Homicide
glaubwürdiger, wenn es Wissen beinhaltet, über das nur der Täter verfügen kann. Aus diesem Grund verschweigt ein Detective stets gewisse Einzelheiten über einen Tatort gegenüber den Zeitungsreportern und Fernsehjournalisten, die das Morddezernat in der Regel kaum eine halbe Stunde, nachdem jemand tot zu Boden gesunken ist, zuhauf anrufen. Solche zurückgehaltenen Details kann beispielsweise das Kaliber der benutzten Waffe sein, oder wo genau das Opfer verwundet wurde, manchmal auch der Fund eines ungewöhnlichen Gegenstands. Geschah der Mord in einem Gebäude und nicht auf der Straße, dann schweigt sich der Ermittler möglicherweise über die Kleidung des Opfers oder die genaue Lage der Leiche aus. Im Fall von Latonya Wallace achteten Landsman und Pellegrini darauf, weder die Würgemale am Hals des Opfers zu erwähnen, noch dass ein Seil oder eine Schnur für die Strangulation benutzt wurde. Sie sagten auch nicht, dass sexueller Missbrauch vorlag, besser gesagt, sie versuchten es – eine Woche nach dem Mord sah sich ein Colonel veranlasst, besorgten Eltern auf einer Bürgerversammlung in Reservoir Hill das Motiv des Mordes doch preiszugeben.
Für die Arbeit eines Detective ist es immer besser, wenn die Leiche in einem geschlossenen Gebäude gefunden wird. Außer für den Vorteil, dass bei einem Mord hinter Wänden Details besser vor der Neugier von Schaulustigen und Journalisten geschützt werden können, sorgt ein Gebäude allein schon für bestimmte Fragen und gibt auch gleich schon Antworten. Wem gehört es, oder wer hat es gemietet? Wer wohnt dort? Wer war zur Tatzeit anwesend? Warum war das Opfer im Haus? Wohnte es dort? Wer hat es dort hingebracht? Wen hat es besucht?Und dann ruft man einen Mannschaftswagen, und ab mit sämtlichen Bewohnern aufs Präsidium.
Um jemanden in einem Haus zu ermorden, muss der Mörder sich erst einmal Einlass verschaffen. Also hat ihm das Opfer entweder geöffnet, oder er hat eine Tür oder ein Fenster aufgebrochen. Das eine wie das andere liefert dem Ermittler wertvolle Hinweise. Finden sich keine Spuren für ein gewaltsames Eindringen, so ist das ein Hinweis darauf, dass sich das Opfer und der Angreifer kannten; sind dagegen Einbruchspuren vorhanden, so besteht die Möglichkeit, dass der Täter Fingerabdrücke auf einer Scheibe oder einem Türrahmen hinterlassen hat. Ist er erst einmal ins Haus eingedrungen, hat der Täter möglicherweise seine Fingerabdrücke auf einer ganzen Reihe von Gegenständen und glatten Oberflächen verteilt. Schießt der Mörder um sich, hinterlassen die danebengegangenen Kugeln Löcher in der Wand, in der Decke, in den Möbeln. Wehrt sich das Opfer und der Angreifer wird verletzt, sind Blutspuren und ausgerissene Haare innerhalb der Grenzen eines Zimmers viel einfacher zu finden. Dasselbe gilt für Fasern von Kleidung und andere Spuren. Kein Problem, ein Haus mit mehreren Zimmern in einer Stunde mit dem Staubsauger abzusuchen und die Beutel von den Laboranten durchsieben zu lassen.
Eine Leiche auf der Straße hat da weniger zu bieten. Wird jemand auf dem Weg zum Schnapsladen erschossen, kann man getrost darauf wetten, dass kein Polizist irgendwelche relevanten Kleiderfussel rund um den 2500er-Block der Division Street findet. Und wenn jemand im Freien erschossen wird, werden regelmäßig nicht alle Projektile gefunden. Ein Tatort auf der Straße gibt oft nicht mehr her als einen Blutfleck und ein paar Patronenhülsen. Nicht nur, dass die Spurensicherung es schwerer hat, es lassen sich auch kaum Rückschlüsse auf die Beziehung zwischen dem Mörder, dem Opfer und dem Schauplatz der Tat herstellen. Findet der Mord in einem Raum statt, dann können sowohl der Täter wie das Opfer etwas mit dem Ort des Verbrechens zu tun zu haben. Bei einem Mord auf der Straße kann ein Detective nicht in alten Strom- und Gasrechnungen oder Mietverträgen wühlen, er kann weder Fotos noch herumliegende Papiere zusammensuchen, es gibt keinen Anrufbeantworter, auf dem sich Nachrichten befinden könnten, und keine auf den Rand der Zeitung gekritzelten Notizen.
Natürlich weiß ein Detective auch, dass ein Mord auf einer Straße seine eigenen Vorzüge hat. Immerhin besteht eine größere Möglichkeit, dass es Zeugen gibt, die zweite Säule der Ermittlungen. Das ist auch der Grund, warum Gewaltverbrechen häufig anderswo stattfinden. In einer Stadt mit weitgehender Reihenbebauung wie Baltimore ist das häufig das Gelände hinter den Häusern innerhalb der einzelnen
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