Homicide
Kontrolle über die Uniformierten, die Zeugen, die Schaulustigen, die Labortechniker, das Hilfspersonal der Rechtsmediziner, die übrigen Detectives, die Schichtleiter und jedes sonstige menschliche Wesen gibt, das sich in der Nähe aufhält. Mit Ausnahme der Schaulustigen beherrschen alle Anwesenden ihre Rolle, und man kann sich darauf verlassen, dass sie ihre Arbeit machen. Aber wie überall sonst im Leben, so ist auch hier Sorglosigkeit die Mutter aller Katastrophen.
Noch bevor das Jahr endet, wird ein Detective aus Stantons Truppe zu einem Einsatzort kommen und feststellen, dass die unerfahrene Besatzung eines Rettungswagens eine tote Person – und zwar eine mausetote Person – zu einer letzten Spazierfahrt in die nächste Klinik mitgenommen hat. Dort müssen sie sich sagen lassen, dass deren Richtlinien nur die Behandlung von Patienten vorsähen, deren Leben wenigstens noch an einem seidenen Faden hing. Die überforderten Sanitäter entscheiden nach kurzer Beratung, den Leichnam wieder auf die Straße zu verfrachten. Die Uniformierten am Fundort der Leiche wundern sich zwar, lassen sie aber zögernd gewähren, in der Annahme, dass die Besatzung einer Ambulanz schon weiß, was sie zu tun hat. Die Polizisten sind drauf und dran, ihnen dabei zu helfen, die Leiche in die ursprüngliche Position zu drapieren, als der Detective eintrifft und dem Spuk ein Ende bereitet: »Was soll das, fahrt den armen Teufel schleunigst zur Autopsie!«
Etwas Ähnliches wird kurze Zeit darauf Robert McAllister passieren, einem erfahrenen Detective, der schon einige Hundert Einsätze in Mordfällen auf dem Buckel hat. Er wird sich in einer Küche in Pimlico über den blutüberströmten Leichnam eines Einundachtzigjährigen beugen, dem ein brutaler Einbrecher vierzig bis fünfzig Stichwunden beigebracht hat. Auf einer Kommode im Schlafzimmer im hinteren Teil der Wohnung klebt die Mordwaffe im Blut fest, ein Messer mit verbogener Klinge. Die Vorstellung, dass irgendjemand auf die Idee kommen könnte, ein solch offenkundiges Beweisstück auch nur anzurühren, ist so abwegig, dass McAllister es für überflüssig hält, ausdrücklich darauf hinzuweisen. Ein Versäumnis, das dazu führt, dass ein junger, frisch vonder Polizeiakademie gekommener Officer ins Schlafzimmer schlendert, das Messer beherzt am Griff packt und in die Küche trägt.
»Das da habe ich im Schlafzimmer gefunden«, wird er sagen. »Ist das irgendwie von Bedeutung?«
Gelingt es einem, solche Katastrophen zu vermeiden und den Tatort unversehrt zu erhalten, dann muss der Detective nur noch die vorhandenen Spuren finden und sichern. Das heißt nicht, dass man jedes Zimmer mit dem Staubsauger abgeht, jede glatte Oberfläche nach Fingerabdrücken absucht und jede Bierdose, jeden Aschenbecher, jeden Fetzen Papier und jedes Fotoalbum umdreht. Hier sind Scharfsicht, gesunder Menschenverstand und Sorgfalt gefragt. Ein Detective, der nicht in der Lage ist, die Grenzen zwischen Wahrscheinlichkeiten, Möglichkeiten und entfernten Eventualitäten zu ziehen, wird bald begreifen, was es bedeutet, es mit der Spurensuche zu übertreiben.
Man sollte durchaus im Auge haben, dass die Ballistiker gewöhnlich einen wochenlangen Rückstand von Projektilvergleichen aufzuarbeiten haben und sowieso ständig im Stress sind. Reicht es also nicht vielleicht, dass sie die gefundene .32-Kugel mit anderen .32-Geschossen aus demselben Jahr vergleichen, oder sollen sie auch noch das letzte Jahr heranziehen? Dieselbe Frage stellt sich für die Fingerabdruckexperten, die außer Mordfällen auch noch Einbrüche, Raubüberfälle und ein halbes Dutzend anderer Arten von Verbrechen zu bearbeiten haben. Weist man die Labortechniker an, auch in unberührt erscheinenden, etwas abseits vom Tatort liegenden Zimmern nach Fingerabdrücken zu suchen, oder sagt man ihnen, sie sollen sich auf Gegenstände beschränken, die erkennbar benutzt worden sind und sich näher am Fundort der Leiche befinden? Wenn eine ältere Frau in ihrem Bett erdrosselt wurde, soll man dann jedes Zimmer des Hauses absaugen lassen, obwohl man weiß, wie lange ein Labor braucht, den Dreck, die Flusen, Haare und Gewebespuren eines einzigen Zimmers zu analysieren? Wenn man also weiß, dass es keinen sich über mehrere Zimmer erstreckenden Kampf gegeben hat, soll man dann nicht lieber die Rechtsmediziner bitten, die Leiche vor dem Abtransport sorgfältig in die Bettlaken einzuwickeln und so Haare und Gewebefetzen vom Kampf möglichst zu
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