Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)
Kontrollgruppe fahren lassen und heute Morgen dann kam, außer aus dem Labor aus den USA, die Zeitverzögerung, Sie wissen ja, die Bestätigung …“
„Herr Professor, Herr Professor, halt. Haben Sie Nachsicht mit einem Unwissenden. Sie sind ja völlig aus dem Häuschen“, unterbrach Feng den stakkatoartigen und wirren Redefluss von Brighton. „Helfen Sie mir, erklären Sie mir genau, was Sie entdeckt haben.“
Der Professor nickte und holte tief Luft. „Gut, Sie haben recht. Ich sollte von vorn anfangen, Laien wie Sie können das natürlich ohne Zusammenhang nicht einfach so begreifen.“ Feng hatte die naive Arroganz des Amerikaners schon vorher zu spüren bekommen, hatte sich jedoch nie etwas anmerken lassen. Auch diesmal schluckte er den aufkommenden Ärger hinunter.
„Also, Herr Feng, Sie wissen noch, was Telomere sind?“ Brighton wartete Fengs Antwort erst gar nicht ab und setzte seinen Vortrag fort. „Die Länge der Telomere ist gleichbedeutend mit der Lebensdauer einer Zelle. Je länger die Telomere, desto öfter kann sich eine Zelle teilen, desto länger lebt der Organismus. Das ist zwar jetzt stark vereinfacht, trifft aber das Wesentliche. Wenn es uns gelingt, die Telomere im menschlichen Genom zu verlängern, zum Beispiel zu verdoppeln, würden wir damit zumindest theoretisch auch die Lebensdauer verdoppeln. Diese Manipulation muss vor der ersten Zellteilung erfolgen, damit die genetische Veränderung in allen nachfolgenden Zellen zum Tragen kommt.“
Feng nickte. Was der Professor gerade erzählte, war ihm wohlbekannt, schließlich hatte er den Forschungsauftrag formuliert. Aber wozu den Professor darauf hinweisen, er wartete einfach ab, bis es endlich spannend wurde. Dass es sich tatsächlich um den Durchbruch handeln könnte, ließ schon seit ein paar Minuten das Adrenalin in seinem Blut tanzen.
„Herr Feng, ich kann Ihnen berichten, dass uns das Experiment gelungen ist. Wir haben acht menschliche Embryonen erzeugt, deren Telomerenlänge wir in etwa verdoppelt haben.“ Dem Amerikaner stand der Stolz ins Gesicht geschrieben. Das war der Nobelpreis!
Feng war sofort klar, was dieser Durchbruch bedeutete – und welche Risiken jetzt von Brighton ausgingen. Er musste ihn ruhigstellen, bevor er seinen Erfolg in die Welt hinausposaunte.
„Meinen Glückwunsch, Herr Professor. Das ist der Nobelpreis, keine Frage. Bis zu welchem Zellstadium haben Sie die Embryonen sich entwickeln lassen?“
„Fünf, sechs Zellteilungszyklen. Den größten Embryo, mit zweiunddreißig Zellen, haben wir hier in London erzeugt. Die Prüfgruppen habe ich schon nach zwei Zyklen, also bei maximal vier Zellen, abbrechen lassen, sie haben die Embryonen präpariert und hierhergeschickt.“ Der Professor war nicht dumm, er wusste sich zu schützen. Er hatte also bereits Maßnahmen ergriffen, dass die anderen Forscher nichts von dem Durchbruch erfuhren. Feng war zufrieden. Jetzt galt es, den Professor an die kurze Leine zu nehmen.
„Herr Professor, Sie sind ein Genie“, setzte er an. Es fiel ihm nicht schwer zu heucheln. Er wusste, dass die wenigsten Nichtasiaten die Mimik eines Asiaten richtig interpretierten. Brighton würde sein Lächeln mit Sicherheit als Lob und Bewunderung interpretieren.
„Jetzt müssen wir sicherstellen, dass niemand Ihre Forschungsergebnisse stehlen und verwenden kann. Ganz wichtig ist auch, dass wir mit überprüfbaren und stabilen Forschungsdaten aufwarten. Sonst ist der Nobelpreis weg.“ Feng studierte das Gesicht des Professors und sah die gewünschte Reaktion. „Außerdem müssen Sie die Methode noch festigen, damit Sie für andere Wissenschaftler nachvollziehbar ist.“
Es war ein ungeschriebenes Gesetz in der Wissenschaft, dass Erkenntnisse nur dann akzeptiert wurden, wenn sie nachvollziehbar waren.
„Ich schlage vor, dass wir Sie mit Ihrem Labor hier in London in eine Art Quarantäne versetzen. Damit Sie in Ruhe arbeiten können. Es dürfen keine Informationen nach draußen gelangen.“ Er machte eine Pause und wartete ab, der Professor sah nicht begeistert aus, sagte aber nichts.
„Parallel bereiten wir die offizielle Mitteilung vor. Das werden wir professionell aufziehen und das wird dann ein ganz, ganz großer Auftritt für Sie, Herr Professor.“ Der letzte Satz ließ Brightons Zweifel verschwinden.
„Vertrauen Sie mir und haben Sie ein wenig Geduld, Professor. Wir müssen und werden alle Maßnahmen ergreifen, um Ihre Forschungsergebnisse zu schützen.“
Dérúgo
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