Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)
los. Die meisten Bilder aus dieser alten Zeit stammen von Überwachungskameras oder aus privaten Videodateien.
Danach sehen wir uns wieder.“ Tobias’ Sessel bewegte sich nach hinten und verschwand in der Dunkelheit. An seiner Stelle erschien ein Datum: 4. Februar 2015 , und dann blickten Brian und Mary in ein Labor.
Professor Brighton summte vor sich hin. Eben hatte er einen dreiseitigen Artikel für die Fachzeitschrift Nature fertiggestellt. Er öffnete das Mailprogramm, um eine E-Mail an Dérúgo Feng zu schreiben. Die bahnbrechenden Ergebnisse der letzten Monate kurz und prägnant auf Papier zu bringen, war eine Herausforderung gewesen. In Gedanken sah sich Professor Brighton schon, wie er sein umfangreiches Material bei Konferenzen den staunenden Fachkollegen präsentierte.
Dérúgo Feng hatte Wort gehalten. Er hatte ihm modernste Gerätschaften und ein neues Team zur Verfügung gestellt – sehr gut ausgebildete Leute. Allesamt Asiaten, die mit der Isolation, die ihnen Feng verordnet hatte, gut zurechtkamen. Auf alle Fälle besser als er selbst.
In den ersten Wochen war er von seinem Projekt so besessen gewesen, dass er von selbst kaum das Labor verließ. Als er jedoch einmal zu einem Verwandtenbesuch in die USA reisen wollte, stellte sich Feng quer, gab dann aber nach. Allerdings begleitete ihn Fengs persönlicher Assistent To Zhang als Aufpasser.
Im neuen Labor hatten sie erst eine Reihe von Rückschlägen hinnehmen müssen. Hätte Brighton sofort seine Ergebnisse veröffentlicht, wären seine Versuche nicht nachvollziehbar gewesen, Hohn und Spott hätte er geerntet und seine Reputation hätte gelitten.
Es gab Probleme mit der Gewinnung der Telomere aus den Spenderzellen, dann beim Einbau der gewonnenen Telomersegmente in die Zielzelle. Sie mussten erst herausfinden, dass es nur reproduzierbare und stabile Ergebnisse gab, wenn sie Telomerstrukturen von mindestens vier genetisch verschiedenen Individuen verwendeten. Das war der Durchbruch. Warum dies so war, war ihnen allerdings immer noch ein Rätsel.
Die von ihnen geschaffenen Embryonen hatten somit sechs Eltern: das genetische Material von Mutter, Vater und vier weiteren Menschen.
Ende Oktober 2014, fast ein Jahr nach den ersten erfolgreichen Versuchen, hatten sie sämtliche Probleme gelöst. Die Verfahren waren stabil und die Prozesse optimiert. Die Zellteilungen und die frühembryonale Entwicklung verliefen – zumindest im Reagenzglas – perfekt. Sie hatten die Ausfallquote bis zum Morula-Stadium, also etwa zwanzig Zellen, auf unter fünf Prozent gedrückt. Neunzig Prozent aller künstlich erzeugten Embryonen erreichten nach etwa fünf Tagen das Blastula-Stadium, in dem der Embryo bereits aus mehreren Hundert Zellen bestand und bereit für die Transformation in die Gebärmutter war.
Mit der British In vitro Fertilisation Clinic , IFC, stand ihnen ein Unternehmen als Partner zur Verfügung, das einundzwanzig Kinderwunschkliniken in ganz Großbritannien hatte. Der Ruf der IFC war hervorragend, pro Jahr ließen sich über 15.000 Paare in den Kliniken behandeln.
Dérúgo Feng hatte die IFC im Frühsommer 2014 über den ORGANICA-Konzern gekauft. Der vorige Eigentümer konnte nicht nein sagen, der Preis, den ORGANICA bot, war zu attraktiv gewesen.
Anfang 2015 waren Brighton und sein Team am Ziel. In den nächsten Wochen sollten die ersten manipulierten Embryonen transferiert werden. Die Eltern waren bereits ausgewählt. Sie wussten nicht, dass der Embryo genetisches Material nicht nur von ihnen, sondern von mindestens sechs verschiedenen Menschen in sich trug.
Mit der praktischen Umsetzung wollte Professor Brighton nichts zu tun haben, dafür würde er nicht die Verantwortung übernehmen. Er hatte Angst, dass man ihn dafür persönlich attackieren würde. Gentechnologie-Gegner hatten ihn schon öfter als Doktor Frankenstein bezeichnet.
Die Mail, die Professor Brighton an Dérúgo Feng schrieb, war seine sofortige Kündigung auf Ende Februar 2015. Er wollte das Labor verlassen, bevor der erste Embryo eingepflanzt wurde.
Brightons E-Mail kam nicht überraschend für Dérúgo Feng. Die Kündigung war absehbar gewesen, und mittlerweile konnten sie auch problemlos auf Brighton verzichten.
Das Verfahren war erprobt, das Wissen dokumentiert und auf viele Köpfe verteilt. Dérúgo Feng hatte Professor Haneul Jeong aus Südkorea in das Team eingeschleust. Jeong war ein ehemaliger Schüler und Forschungspartner von Hwang Woo-suk, der 2006 als
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