Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)

Informationen bekommen? Das ist nicht auszuschließen, aber in diesem Punkt traue ich Tobias.“
    „Ich dachte auch mehr an die Emotionen. Brian, wir fühlen, was diese Leute fühlen. Brightons Ehrgeiz, Neugierde, Faszination und genauso sein schlechtes Gewissen, seine ethischen Bedenken.“
    „Möglich, dass wir da manipuliert werden, wir finden die Leute sympathisch oder nicht. Aber das geht uns im alltäglichen Leben ja auch so. Also, machen wir weiter?“
    „Ja“, sagte Mary, und im nächsten Moment wurde es drückend heiß.

Sommer 2016 in Peking, es war heiß und schwül. Die Klimaanlage in Dérúgo Fengs Büro lief auf Hochtouren. Der Strombedarf der immer noch wachsenden Stadt war enorm, und in den Randgebieten kam es immer wieder zu Engpässen und Stromausfällen. Die Energieversorgung galt schon seit Jahren als kritisch und mehr als ein Minister war im Laufe seiner politischen Laufbahn daran gescheitert.
    Eigentlich interessierte das Dérúgo Feng überhaupt nicht, aber er musste sich dafür interessieren. Seit etwa drei Monaten war es sein Job, die Energieversorgung Pekings heute und für die Zukunft sicherzustellen.
    Feng war als Botschafter aus Großbritannien abgezogen und als besonderer Minister für die Energieversorgung Pekings eingesetzt worden. Sein Aufstieg war generalstabsmäßig inszeniert.
    Schon vor Jahren hatten die Stadtplaner den wachsenden Energiebedarf der Stadt vorausgesehen und Projekte zur Beseitigung der Engpässe gestartet.
    Sechs Kraftwerke sollten gebaut werden. Zu Beginn verlief der Bau chaotisch, es kam ständig zu Verzögerungen und die jeweiligen Verantwortlichen verloren ihr Amt im Handumdrehen.
    Mit dem Amtsantritt Dérúgo Fengs änderte sich die Situation quasi über Nacht. Alle sechs Baustellen meldeten einen raschen, reibungslosen Verlauf der Arbeiten. Die Kraftwerke sollten nicht nur termingerecht fertig werden, sondern zwei würden sogar einige Wochen früher als geplant in Betrieb gehen. Dieser Erfolg sollte Dérúgo Fengs politischer Karriere einen ordentlichen Anschub geben.
    Das Netzwerk der Familie Feng hatte einfach zum richtigen Zeitpunkt die Arbeiten gebremst und nach Dérúgo Fengs Amtsantritt die Arbeiten an den Kraftwerken beschleunigt.
    Das war die Zeit, in der Dérúgo Feng eine neue Gier entwickelte. Geld hatte er genug, er hatte sich schon alle Wünsche, die man mit Geld erfüllen konnte, erfüllt. Seine Edelsteinsammlung war eine der größten der Welt und machte ihm seit einiger Zeit keinen Spaß mehr.
    Seine sexuellen Eskapaden konnte er jederzeit ausleben, es gab immer Frauen, die für Geld alles machten. Offiziell war er glücklich verheiratet und Vater eines Sohnes. Beruflich hatte er viel erreicht und könnte sich jederzeit in den ORGANICA-Konzern zurückziehen.
    Doch seit er als Politiker in Peking aktiv war, begegneten ihm die Menschen mit Respekt, Ehrfurcht und Angst. Emotionen, die er zwar schon als Manager und Botschafter wahrgenommen hatte, aber nie so wie jetzt, im Zentrum der chinesischen Macht. Dieses Machtgefühl hatte eine neue Qualität, es war betäubend und berauschend zugleich. Er war ein Feng, und die Fengs konnten die Welt verändern.
    Das Verlangen, die Gier nach Macht. Nach politischer Macht, nach der Macht des Herrschens.
    China war bereits die führende wirtschaftliche Macht und würde bald auch die führende militärische Macht sein. Diese Macht würde er, Dérúgo Feng, in die Hände nehmen. Er würde den Namen Feng unsterblich machen. Er wollte sich unsterblich machen.

„Das entspricht nicht dem Bild, das ich von Feng habe“, sagte Brian.
    „Für einen Menschen in einer solchen Position und mit diesen Zielen ist sein Streben nach Macht nichts Ungewöhnliches. Die Manipulation von Projekten und Menschen ist in der Politik fast Tagesgeschäft, nicht wahr? Was meinst du genau?“, fragte Mary.
    „Ich hatte Angst. Der Mann, den wir gerade näher kennengelernt haben, macht mir Angst“, erklärte Brian.
    „Er kommt in der Tat sehr skrupellos rüber. Schauen wir einfach, wie es mit seiner Karriere weitergeht. Das sieht nach Berlin aus, würde ich sagen.“
    „Ja, das könnte ein Treffen der europäischen Regierungschefs sein …“, sagte Brian und ließ die Bilder auf sich wirken.

Sieg auf der ganzen Linie, Europa unterwarf sich China, auch wenn die Europäer dies zu diesem Zeitpunkt nicht so wahrnahmen. Wer zahlt befiehlt, dachte Dérúgo Feng am Morgen des 18. April 2021, als er mit den Regierungschefs der