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Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)

Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)

Titel: Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Karer
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Sicherstellung der Menschenrechte natürlich, aber dann? Was war die ideale Gesellschaft? Wer legte die Werte fest? Alles Fragen, mit denen sich die Menschen seit Menschengedenken beschäftigten, kein Wunder.
    „Gut, ich habe verstanden. Dein Standpunkt ist, dass man in die Entwicklung der Menschheit nur dann eingreifen sollte, wenn eine normale Weiterentwicklung aufgrund eines Störfaktors behindert beziehungsweise verhindert wird.“
    „Korrekt.“
    „Und derzeit siehst du keinen solchen Störfaktor? Zum Beispiel das Bevölkerungswachstum?“
    „Nein. Die Menschheit wird sich anpassen. Ist das Bevölkerungswachstum nicht mehr verkraftbar, wird sich die Anzahl der Menschen wieder verringern.“
    „Politische Machtblöcke?“
    „Es gibt derzeit keine Machtstruktur, die eine einseitige Entwicklung der Menschheit erzwingen könnte.“
    „Gut, lassen wir das. Für mich heißt das: Alles, was mich zurzeit stört, ist mein Problem, nicht das der Menschheit. Aber das Ergebnis ist trotzdem nicht befriedigend für mich.“
    „Das verstehe ich nicht“, meldete sich Confidence, „soll ich weiter daran arbeiten?“
    „Nein, besser nicht. Ich glaube, zum Philosophieren bist du noch nicht reif genug. Aber noch eine Frage: Wie gewichtest du die Rolle von Dérúgo Feng beziehungsweise des ORGANICA-Konzerns?“
    „Es gibt weltweit derzeit 4.831 Organisationen, die ich hinsichtlich ihres Einflusses auf die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft als bedeutend einstufe. Unter Organisationen verstehe ich Regierungen, Konzerne, Verbände, Religionsgemeinschaften, Familienclans und Stämme, aber auch virtuelle Strukturen wie zum Beispiel das Globalnet, das heute viel stärker mit dem gesellschaftlichen Leben vernetzt ist als sein Vorgänger, das Internet.
    Der ORGANICA-Konzern und die Familie Feng gehören zu den bedeutenden Organisationen. Sie spielen jedoch keine dominierende Rolle. Beide werden als nicht systemrelevant eingestuft.“
    „Was meinst du mit systemrelevant?“
    „Eine systemrelevante Organisation nimmt erheblich Einfluss auf die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Typisches Beispiel sind die Großmächte, die entweder den Handel und den Frieden stabilisieren oder durch ernsthafte Konflikte die Welt destabilisieren.“
    „Verstehe. Hast du ein weiteres Beispiel für systemrelevant?“
    „Die vollständige Deaktivierung des Globalnets würde die weitere Entwicklung der Menschheit maßgeblich beeinflussen.“
    „Wie?“
    „Dafür gibt es eine Reihe von Szenarien. Soll ich sie berechnen?“
    „Nein, im Moment nicht. Machen wir Schluss, das war jetzt zwar interessant, hat mich aber nicht wirklich weitergebracht.“

Die ärztliche Untersuchung war wie immer, seine Krankheitsgeschichte erhielt einfach nur ein neues Kapitel. Über die Jahre hinweg wurde sein körperlicher Verfall hervorragend dokumentiert, jede Untersuchung war ein weiterer Punkt auf einer Kurve, die deutlich nach unten verlief.
    Als er vor Mary Taydons Tür stand, hatte er das Untersuchungsergebnis schon wieder verdrängt. Er klopfte und trat ein. Das ansonsten ordentliche Büro sah chaotisch aus, überall standen leere oder halbgefüllte Kartons. In einer Ecke türmten sich Dinge auf, die offensichtlich entsorgt werden sollten. Er fühlte sich wegen der Unordnung sofort unwohl.
    „Ah, Herr Feist, schon 14 Uhr?“ Mary Taydon sah auf ihr myCom. „Meine Güte, ich hab doch wirklich die Zeit vergessen. Kommen Sie mit, wir gehen nach nebenan ins Sitzungszimmer, da ist es nicht so chaotisch.“
    Im Sitzungszimmer fühlte er sich besser. Ihn störte nur, dass zwei der sechs Stühle schräg standen. Das wirkte disharmonisch. Bevor er sich setzte, schob er die zwei Stühle beiläufig gerade und war zufrieden.
    Mary Taydon lächelte ihn an, sie wusste, dass sie bei ihm mit Small Talk nicht weit kam und sparte sich Fragen nach dem Wetter und seinem Wohlergehen. „Der ärztliche Befund ist wie gewohnt schlecht. Der Arzt, der Sie untersucht hat, wollte Sie in die Kategorie fünf einstufen. Ich konnte ihn auf vier überreden. Wie Sie wissen, reicht auch das nicht, und Fletcher muss Ihre weitere Anstellung wieder begründen.“
    Er nickte und schwieg.
    „Eigentlich wäre erst nächstes Jahr wieder ein psychologisches Gutachten fällig. Aber da ich auf Ende 2032 in Rente gehe und deswegen nur noch bis Ende des Monats hier bin, machen wir es ein Jahr früher. Das nächste Mal wäre dann Ende 2035 oder Anfang 2036.
    Wir müssen also miteinander

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