Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)
weitere Anstellung beim MI6 zu beantragen.
Seit ein paar Tagen dachte Tobias daran, beim MI6 aufzuhören, es war neu, dass er sich vorstellen konnte, sich nach Aberystwyth zurückzuziehen. Finanziell konnte er sich das erlauben, und notfalls würde er schnell einen einträglichen Job finden. Aber bei diesen Gedanken kamen Schuldgefühle auf. Er wollte Brian nicht im Stich lassen, und wenn er ausstieg, würde er das vorher mit ihm besprechen. Er schob den Gedanken beiseite, als Confidence sich bei ihm meldete.
„Ja?“
„Die Ergebnisse zum Projekt Quo Vadis liegen vor und können abgerufen werden“, kam es vom Schallerzeuger des myCom. Tobias war immer noch auf der Suche nach der optimalen Stimme für Confidence. Sein ehrgeiziges Ziel war, dass Confidence durch entsprechende Stimulation seiner Hörnerven direkt in sein Gehirn sprechen sollte, das lag jedoch noch in weiter Ferne.
In seinem Arbeitszimmer setzte er sich ein von Confidence modifiziertes HMD auf. Es war eines der ersten Modelle und fühlte sich unbequem an, es war zu schwer und er spürte jetzt schon die Druckstellen.
„Confidence, ich bin bereit, du kannst anfangen. Gib mir aber erst eine Zusammenfassung, Details kann ich mir später immer noch anschauen.“
Diese Anforderung war gleichzeitig ein Test, denn es war eine gewisse Intelligenz notwendig, um aus einer Vielzahl von Informationen eine Zusammenfassung zu erstellen. Tobias war gespannt, wie Confidence sich diesmal schlagen würde.
„Die Aufgabe war, mögliche Szenarien für die zukünftige Entwicklung der Menschheit zu erstellen und die folgende Frage zu beantworten: Wo sollte steuernd und korrigierend eingegriffen werden.
Die Antwort lautet: Die menschliche Gesellschaft unterliegt einem ständigen evolutionären Veränderungsdruck. Die Wechselwirkungen sind dabei so vielfältig und komplex, dass die Folgen und Konsequenzen einer Einflussnahme nicht berechnet werden können. Der Hauptgrund ist das menschliche Verhalten, das beim Einzelnen wie beim Kollektiv keinen rein logischen Regeln folgt und deshalb unberechenbar ist.
Weiter liegt derzeit keine Situation vor, die dermaßen einschränkend ist, dass die evolutionäre Entwicklung der Gesellschaft behindert beziehungsweise in eine einengende Richtung gedrängt wird. Somit gibt es weder einen Ansatz noch einen Grund, in den aktuellen Zustand einzugreifen.“
Mit dieser Antwort hatte Tobias nicht gerechnet. Nicht, dass er enttäuscht war, aber er hatte sich schon etwas mehr erwartet.
„Gib mir Beispiele, wie die evolutionäre Entwicklung der menschlichen Gesellschaft eingeschränkt wäre.“
„Zum Beispiel eine weltweite Diktatur, die eine freie Entwicklung der Menschen verhindert. Aktuell gibt es auf der Erde sechs Staaten, die von einer Diktatur regiert werden. Diese nehmen aber auf das Gesamtsystem Menschheit wenig Einfluss und werden voraussichtlich in den nächsten Jahren von alleine verschwinden. Hier könnten allenfalls Maßnahmen ergriffen werden, um die entsprechenden Regierungen zu destabilisieren. Was allerdings nicht zu empfehlen ist.“
„Warum nicht?“
„Die internationale Gemeinschaft ist hier bereits aktiv. Ihre Maßnahmen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten Dekade Wirkung zeigen. Auch zeigt die Geschichte, dass Diktaturen mit den Diktatoren sterben.“
„Weitere Beispiele für Einschränkungen?“
„Die Unterdrückung eines großen Teils der Menschheit. Ein Beispiel ist die Sklaverei im Römischen Reich oder im Süden der USA. Auch religiöse, fundamentalistische Strömungen können ähnliche Effekte haben.“
„Aber es gibt doch so viele Probleme auf der Welt: Ressourcenmangel, Energieversorgung, Umweltverschmutzung, Zugang zu frischem Wasser, sollte man da nicht einschreiten?“
„Nein, das sind keine Gründe zum Eingreifen, sondern lediglich Parameter, die die Entwicklung der Menschheit beeinflussen.“
„Zum Guten oder zum Schlechten?“
„Definiere bitte in diesem Zusammenhang gut und schlecht. Was ist gut für die Menschheit, was ist schlecht?“ In diesem Moment verstand Tobias, dass er Confidence eine Aufgabe gegeben hatte, die nicht zu lösen war.
„Confidence, sehe ich das richtig, dass in deinen Berechnungen das Aussterben der Menschheit beziehungsweise die Reduktion der Bevölkerung eine normale evolutionäre Entwicklung ist?“
„Ja.“
Da hatte er das Dilemma, er musste definieren, was eine menschliche Gesellschaft im optimalen Falle ausmachte. Die
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