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Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)

Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)

Titel: Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Karer
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reden, Herr Feist. Bitte erzählen Sie mir, wie es Ihnen in den letzten Jahren ergangen ist.“
    Er mochte diese Art von Gesprächen überhaupt nicht. Am Anfang hatte Mary Taydon sich vor allem für seine Begabung interessiert und die Gespräche und Diskussionen mit ihr darüber hatten ihm sogar Spaß gemacht.
    Doch mit den Jahren wurden die Gespräche für ihn langweiliger und immer mehr zu einer Art Verhör. Sie wollte zu viel wissen: sein Verhältnis zu seinen Eltern, zu seinen Geschwistern, was er aß und trank, welche sexuellen Neigungen er hatte, einfach alles.
    Also gab er ihr zuerst wie immer eine kurze Zusammenfassung über seine beruflichen Projekte der letzten Monate, und dann schwieg er. Erfahrungsgemäß begann jetzt das Verhör.
    „Da dies wahrscheinlich unser letztes Gespräch ist, möchte ich mich erst einmal für die Zusammenarbeit bedanken, Herr Feist. Ich habe von Ihnen sehr viel gelernt. Ich werde Sie heute nicht mehr quälen oder Ihnen auf die Nerven gehen.“ Er machte offensichtlich ein fragendes Gesicht.
    „Oh, es ist mir nicht entgangen, dass Fragen, die nichts mit Ihrer Inselbegabung zu tun hatten, Sie, sagen wir einmal, gestört haben. Aber das ist mein Job, die Analyse Ihrer Persönlichkeit. Doch jetzt ist Schluss mit dem Analysieren, wenn Sie wollen, können wir hier abbrechen. Ansonsten hätte ich schon noch einige Fragen“, sie lächelte ihn gewinnend an, „die stelle ich Ihnen aber nicht als Ihre Psychologin, sondern aus privatem Interesse.“
    Er zögerte einen Moment. „Fragen Sie.“
    „Was belastet Sie?“
    Er fühlte sich von der Frage überrumpelt, ertappt.
    „Wie kommen Sie darauf, dass mich etwas belastet?“
    „Sie weichen mir aus, aber ich beantworte Ihnen Ihre Frage. Schon ganz am Anfang spürte ich eine latente Unzufriedenheit bei Ihnen, eine Art Groll. Ich habe versucht herauszufinden, was es ist, aber Sie sind mir immer ausgewichen.
    Ich habe mir das mit den Ereignissen in Deutschland erklärt, kurz vor Ihrer Flucht … ja, das war damals eine Flucht. Sie wollten hinter sich lassen, was geschehen ist, aber das gelang Ihnen nicht, es verfolgt Sie immer noch. Bis heute.
    Ich möchte Ihnen noch etwas mitgeben. Ich weiß, dass Harmonie, geordnete Strukturen, Regeln für Sie extrem wichtig sind und Verstöße dagegen entsprechend schlimm. Aber es ist nicht Ihre Aufgabe, Regeln zu definieren und Verstöße dagegen zu ahnden, bitte beherzigen Sie das.“
    „Oh, das tue ich nicht, ich meine, eingreifen. Früher vielleicht, da haben Sie recht, da habe ich schon das ein oder andere Mal direkt eingegriffen. Aber bei den vielen Gesetzesüberschreitungen käme ich gar nicht nach und wenn wir dann noch die ganzen moralischen und ethischen Verstöße nehmen …“ Er ließ den Satz unvollendet, seine Stimme hatte einen sarkastischen Unterton, der Mary Taydon natürlich nicht entging.
    „Sie wissen, dass ich das nicht meine. Ich befürchte, wenn etwas Ihren persönlichen Wertvorstellungen nicht entspricht, könnten Sie …“
    „… überreagieren?“, er lächelte bei der Vorstellung.
    „Ja.“ Sie schwiegen beide, Mary kam es wie eine Ewigkeit vor. Sie wusste, wenn sie als Erste das Wort ergriff, ließe sie Tobias aus der Situation heraus. Sie wollte jedoch, dass er reagierte. Sie wollte etwas tiefer in seine Seele schauen, um sein Aggressionspotenzial einschätzen zu können.
    „Nein, Sie müssen sich keine Gedanken machen. Ich glaube, den Menschen geht es alles in allem besser als vor fünfzig oder hundert Jahren. Sicherlich gibt es viele Dinge, die man aus meiner Sicht anders machen könnte, wo man korrigierend eingreifen müsste. Vermutlich könnte ich sogar an der einen oder anderen Stelle etwas nachhelfen.“
    „Was Sie vermutlich auch tun“, ergänzte Mary. Er nickte, sie kannte ihn wirklich gut.
    „Warum bin ich jetzt nicht beruhigt“, fragte sie mehr sich als ihn.
    Er zuckte die Schultern. „Sie wissen, was ich kann, interpretieren eine Menge hinein, und ich passe nicht in Ihr normales Schema. Ich bin für Sie nicht berechenbar. Sie befürchten einen Anfall von Größenwahn und vermutlich liegen Sie damit noch nicht mal so falsch. Aber ich verspreche Ihnen: Solange ich nicht mit dem Brett des Karneades konfrontiert werde, bin ich für niemanden ein Risiko.“
    „Ah, Karneades: die zwei Schiffbrüchigen und das Brett, auf dem nur einer von beiden Platz hat. Sie beschäftigen sich mit Philosophie?“
    „Sie wissen, dass ich unheilbar krank bin. Mit dem Tod

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