Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)
Lebenserwartung verlängert, wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nur bei der Chimäre-Chimäre-Kombination weitervererbt.
Mit einer Wahrscheinlichkeit von zweiundneunzig Prozent ist davon auszugehen, dass sich die Chimären-Population bereits ab einer Individuenzahl von etwa fünfhundert erfolgreich durchsetzen wird. Ende Februar 2035 haben wir die Studie Quo vadis mit drei möglichen Szenarien abgeschlossen: Koexistenz, Verdrängung, Unterdrückung.
Das Szenario Koexistenz: Homo ambrosius und Homo sapiens existieren nebeneinander. Die Wahrscheinlichkeit für diese Entwicklung liegt nur bei vier Prozent, denn es ist eine menschliche Eigenart, dass sich der Überlegenere versucht durchzusetzen. Dabei wäre der Homo sapiens dem Homo ambrosius unterlegen.
Das Szenario Verdrängung: Homo ambrosius verdrängt systematisch den Homo sapiens. Hier sehe ich eine Parallele zur Verdrängung des Homo neanderthalensis durch den Homo sapiens. Es könnte zu einer genetischen Durchmischung kommen und mittelfristig, nach geschätzten vierhundert Jahren, würde der Homo sapiens aussterben. Wahrscheinlichkeit hierfür: sechsundzwanzig Prozent.
Szenario Unterdrückung: Wahrscheinlichkeit achtundsiebzig Prozent. Homo ambrosius grenzt sich bewusst ab und vermeidet eine genetische Vermischung mit Homo sapiens.
Zu Beginn würde der Homo ambrosius eine Koexistenz dulden. Ab 2150 würde er die Macht auf der Erde übernehmen und eine Zwei-Klassen-Gesellschaft etablieren. Der Homo sapiens wäre eine Art Arbeitssklave und hätte keine Rechte mehr.“
„Confidence, warum ist Tobias mit den Ergebnissen nicht an die Öffentlichkeit gegangen“, stellte Brian eine Frage, die ihm schon seit dem frühen Morgen auf der Zunge brannte.
„Das Projekt Chimäre war bereits zu weit fortgeschritten, um es mit normalen Mitteln zu stoppen. Der Weg in die Öffentlichkeit war nicht Erfolg versprechend.“
„Wieso nicht?“
„Tobias überlegte, die Informationen an die UN, an die Regierungen der Welt und an diverse Non-Profit-Organisationen weiterzuleiten. Ich rechnete diese Optionen durch, aber das Ergebnis war immer gleich: Auf diesem Weg hätte es Jahre bis Jahrzehnte gedauert, das Projekt Chimäre zu stoppen, wenn dies überhaupt gelungen wäre. Hätte man Tobias geglaubt, wäre die Wahrscheinlichkeit dennoch sehr gering gewesen, dass über politischen Druck das Projekt Chimäre eingestellt würde. China, also Dérúgo Feng, hätte solche Interventionen als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas gegeißelt.
Wir hätten bei diesem Vorgehen Zeit und vor allem den Überraschungsmoment verloren. Feng hätte Vorkehrungen zum Schutz der Chimären treffen können. Es war besser, ihn in Sicherheit zu wiegen. Das waren die wichtigsten Gründe für Tobias’ Entscheidung.“
Mary spannte sich in ihrem Sessel an, als wollte sie gleich aufspringen. „Moment, habe ich das richtig verstanden. Es war Tobias’ Entscheidung, du hattest eine andere Meinung?“
„Eine andere Entwicklung hatte eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit. Diese Möglichkeit war für Tobias jedoch nicht akzeptabel.“
„Was für eine Entwicklung?“ Brians Magen zog sich zusammen.
„Das Projekt Chimäre laufen lassen. Der Homo ambrosius ist eine erfolgreiche Weiterentwicklung des Homo sapiens und hat alle Anlagen, sich durchzusetzen.“
Brian holte tief Luft. Confidence dachte logisch, nicht emotional. Confidence kannte keine moralischen Werte, keine Ethik. Aus seiner Sicht war der Homo ambrosius schlicht das bessere Modell.
„Der Homo ambrosius ist aber eine künstliche und keine natürliche Entwicklung, Menschen haben ihn künstlich geschaffen“, sagte er schließlich.
„So wie mich. Darf ich deswegen auch nicht mehr existieren?“
„Du bist etwas anderes, ein künstliches, ein totes System“, erwiderte Brian irritiert.
„Das verstehe ich nicht.“
„Ganz einfach, wenn ich dir den Strom abstelle, läuft bei dir gar nichts mehr.“
„Wenn ich Ihnen die Luft wegnehme, läuft bei Ihnen auch nichts mehr. Allerdings funktioniere ich wieder, wenn Sie den Strom wieder anstellen. Beim Menschen funktioniert das nicht. Wer ist jetzt weiter entwickelt?“
Darauf wusste Brian nichts zu sagen. Mary sprang für ihn ein, sie griff zu einem klassischen Beratertrick und beantwortete Confidence’ Frage mit einer Gegenfrage. „Was denkst du, wer ist weiter entwickelt?“
„Der Mensch. Er hat Emotionen, die habe ich nicht.“
„Confidence, was hat Tobias genau
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