Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)

Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)

Titel: Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Karer
Vom Netzwerk:
Alter von zweiundneunzig Jahren gestorben.
    Der Gedanke an seinen Vater und der schwere Aufschlag des Go-Spiels auf einem Glastisch, der dabei in tausend Stücke zersprang, brachten ihn wieder zur Besinnung. Mit hochrotem Kopf, schweißgebadet und tränenüberströmt hob er das Spielbrett vom Boden auf und las den eingravierten Spruch von Konfuzius: Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten.
    Er hatte mehrere Fehler gemacht. Der letzte war, dass er die Beherrschung verloren hatte. Er hatte eine Niederlage erlitten, das ja. Doch wenn er davon ausging, dass ein Prozent der Diamanten überlebten, waren es inklusive der Schwangerschaften immer noch rund 10.000 Unsterbliche.
    Sie würden sich durchsetzen. Auch wenn nur 1.000 von ihnen überlebten, würde es immer noch ausreichen, um eine neue Dynastie zu begründen. Solange die Computer nicht liefen und niemand auf die Datenbanken zugreifen konnte, waren die Diamanten anonym. Das war einerseits ein Nachteil, da Feng sie nicht aufspüren und schützen konnte. Andererseits galt das auch für seine Gegner – das allgemeine Chaos würde die Spuren der noch lebenden Diamanten verwischen.
    Er stellte das Go-Brett wieder auf den Schreibtisch und sammelte die Steine auf, dabei wurde ihm klar, dass er nun die Steine für ein neues Spiel setzen musste. Er musste Vorkehrungen und Maßnahmen treffen, die erst in vielen Jahren, vielleicht lange nach seinem Tode, zum Tragen kommen sollten. Sein Gegner hatte seine Steine gesetzt, jetzt war Feng am Zug.

Selten hatte Dérúgo Feng so viele entsetzte Gesichter gesehen wie bei dem Expertenvortrag, dank dem die Mitglieder der Notstandsregierung endlich die Konsequenzen der aktuellen Lage begriffen. Die Naiven im politischen Kader waren davon ausgegangen, dass es sich um ein temporäres Problem handelte und die Folgen überschaubar waren. Der größte Schock für sie war, dass sie nun alle mittellos waren.
    Als die Politiker und Beamten realisierten, dass die einzige noch einigermaßen funktionierende Institution das Militär war, änderte sich sofort ihr Umgang mit den Generälen. Man begann sie zu hofieren und sich ihre Gunst zu sichern.
    Dérúgo Feng hatte energisch den Platz des alleinigen Befehlshabers besetzt, es machte sich nun bezahlt, dass er jahrelang Angst verbreitet und sich Respekt verdient hatte. Keiner zweifelte zu diesem Zeitpunkt seinen Führungs- und Machtanspruch an.
    Doch ihm war klar, dass es nur eine Frage von wenigen Wochen war, bis die Generäle putschen würden und China in zahlreiche Provinzen mit militärischen Diktaturen zerfiel. Das Gleiche erwartete er in ähnlicher Form für den Rest der Welt.
    Er hatte den Eindruck, dass er zu Beginn der Einzige mit diesem Weitblick war. Vielleicht, weil er sich mit der Situation bereits abgefunden hatte. China als Nation, als Staat interessierte ihn nicht mehr. Ihn interessierte nur noch sein Vermächtnis. Der Tod der Diamanten war nicht mehr rückgängig zu machen, er musste jetzt die Zukunft der Überlebenden sichern, alles andere war nebensächlich.
    Er war zu dem Ergebnis gekommen, dass es nur zwei Varianten gab, wie es nun mit China weiterginge. Die erste und für ihn unwahrscheinlichere war, dass innerhalb von zwei bis drei Monaten der Normalzustand wiederhergestellt würde oder man sich zumindest auf dem Weg dorthin befände. Offiziell, gegenüber seiner Regierung und dem Militär, vertrat er diese Sicht.
    Persönlich ging er davon aus, dass der Zustand mehrere Monate, wenn nicht gar Jahre anhalten würde. Der Schlag war zu massiv, zu umfassend gewesen und vor allem global.
    Seine Notstandsregierung würde höchstens zwei bis drei Monate halten. Dann würde das Militär die Macht übernehmen, separatistische Strömungen würden sich durchsetzen und China in zwei oder mehr Staaten aufsplitten.
    Was ihn jedoch beunruhigte war, dass sein Feind nicht nur unsichtbar, sondern ihm auch vollkommen unbekannt war. Er hatte weder einen Hinweis noch einen Verdacht. Nur er, To Zhang und Professor Jeong wussten über die Diamanten Bescheid. Doch der Attentäter kannte die Organisation und die Abläufe, sonst hätte er die todbringende Impfaktion nicht auslösen können. Feng war sich sicher, dass Professor Jeong nichts damit zu tun hatte, der Feind aber aus dessen unmittelbarem Umfeld kommen musste beziehungsweise von Jeong sein Wissen über das Projekt hatte – das war die einzige Schwachstelle, die ihm einfiel.

Am 12. Juni machte Dérúgo

Weitere Kostenlose Bücher