Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)
ihr?“
Lord_Arthur: „Was willst du?“
Der Chat hatte eine Entwicklung genommen, auf die er nicht vorbereitet war. Was wollte er? Er wusste es nicht.
Lord_Arthur: „Bist du noch da?“
„Das seht ihr doch“, murmelte er. Und schrieb weiter:
Iron_Lady: „Ich melde mich wieder.“
Lord_Arthur: „Wann?“
Iron_Lady: „Weiß nicht.“
Er meldete sich aus dem Chat ab. Wahrscheinlich gar nicht mehr, dachte er. Er wollte gerade aufstehen, als sich Polinskis Überwachungssystem mit einem Piepton meldete. Von dem neuen Anschluss China_Man wurde gerade ein Gespräch geführt. Er schaltete den Lautsprecher ein, um mitzuhören. Eine schnelle, abgehackte, aber doch melodische Sprache, die er nicht kannte, ertönte.
Chinesische Europäische Investmentbank, klar, die sprechen chinesisch. Das ist Pech. Er wertete das Kommunikationsprotoll von China_Man aus – alles interne Telefonnummern, bis auf zwei externe Nummern, die gestern Abend erfasst wurden.
„20:25 Uhr: der Anruf dieser Nummer bei Polinski. Identifiziert als Anschluss der Chinesischen Europäischen Investmentbank. Keine Aufzeichnung. Beginn der Überwachung.
22:29 Uhr: Anruf einer in Südafrika gemeldeten Handynummer, eine Prepaidnummer. Aufzeichnung.“
Den Zahlencode las er nicht mehr, er startete die Aufzeichnung. Der Angerufene sagte kein Wort. Und der Anrufer sagte lediglich: „Check your e-mail.“
Er sortierte als Nächstes die angezeigten internen Nummern der Chinesischen Europäischen Investmentbank: in Anrufe von China_Man und Anrufe an China_Man. Auffällig war, dass eine Nummer zwölfmal bei China_Mans Handy angerufen hatte.
Er brauchte zwei Stunden, um sich die interne Telefonliste der Chinesischen Europäischen Investmentbank zu beschaffen. Dann konnte er die Nummer, die zwölfmal bei China_Man angerufen hatte, identifizieren. Sie lautete wie die Nummer des Handys auf Ao Chen und war ein Festnetzanschluss. Tobias vermutete, dass es sich bei den zwölf Anrufen um Rufumleitungen handelte. Er hatte China_Man identifiziert.
Er beschloss, nach Ao Chens Handy nun auch Ao Chens Festanschluss zu überwachen, mit China_Man2.
Das Telefonat von eben ging auf eine interne Nummer der Bank. Tobias schaute in der internen Telefonliste nach, der Anschluss gehörte einem gewissen Dérúgo Feng.
Diese Nummer nahm er nicht auf, es machte für ihn wenig Sinn, alle internen Anschlüsse der Bank zu überwachen. Sonst wurden es schlichtweg zu viele, und sein Programm konnte nur maximal vierundsechzig Anschlüsse parallel überwachen. Der Großteil der Telefonate innerhalb der Bank würde sowieso auf Chinesisch geführt werden und mit der täglichen Arbeit von Ao Chen zu tun haben. So wahrscheinlich auch das letzte Telefonat mit Dérúgo Feng. Ein verständlicher Irrtum.
Ao Chen war mit Dérúgo Fengs Vater Wei Feng, der damals Botschafter war, nach Deutschland gekommen. Chen war fünfzehn Jahre älter als Dérúgo Feng. Während Dérúgo dann in Deutschland ausgebildet wurde, war Chen Dérúgos Vater zuerst nach Südafrika und dann zurück nach China gefolgt. So hatte er für einige Jahre den Kontakt zu Dérúgo verloren.
Als Dérúgo kurz vor dem Abitur stand, kam Ao Chen als Angestellter der Chinesischen Botschaft zurück nach Deutschland. Seine Aufgabe war es seitdem, Dérúgo Feng zu überwachen und zu schützen. Solange Dérúgo studierte, hielt er sich im Hintergrund. Er musste nur einmal eingreifen, als britische Rassisten Dérúgo verprügelten, er kam ein paar Minuten zu spät und konnte es nicht verhindern. Das war das einzige Mal, dass er seinen Chef, den alten Feng, wütend erlebte. Er hatte damals versagt, das hätte nicht geschehen dürfen.
Die drei Briten, die Dérúgo Feng verprügelt hatten, starben drei Monate später. Sie machten es ihm leicht, denn sie waren knapp bei Kasse und ließen sich für einen an sich harmlosen Medikamententest gewinnen. Sie waren die Ersten, an denen Hexaphenilcorbin getestet wurde.
Ao Chen hatte mit heftigen Nebenwirkungen gerechnet, das Testergebnis kam jedoch unerwartet. Das Mittel führte innerhalb von Sekunden zum Hirntod und war schon eine Stunde nach Verabreichung nicht mehr nachweisbar, und vorher auch nur, wenn man direkt danach suchte.
Mit dem Tod der Briten hatte er neben seiner Rache ein weiteres Ziel erreicht: Das für die normalen Tests verantwortliche, aufstrebende Pharmaunternehmen ging in Konkurs und konnte mitsamt seinem Know-how günstig erworben werden. Heute fuhren die Produkte
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